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Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)

Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)

Titel: Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Schreiber
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Gesellschaft zu
sein.
    Annie frühstückte einige Handvoll Kirschen, spuckte die Kerne so weit sie konnte und ging zurück ins Dorf. Daheim im Haus war alles still, sie durchwühlte
den Kühlschrank und fand nichts Essbares mehr darin, was sie irritierte und zugleich ärgerte. Sie war sich sicher gewesen, einen Vorrat an Käse und Wurst zu besitzen. Für einen
Moment vergaß sie, dass sie verlassen worden war, klopfte laut an die Schlafzimmertür ihrer Mutter – soll sie einkaufen gehen! Es war sieben Uhr morgens, weshalb schlief sie
noch? Erst dann fiel ihr ein, dass Nette fort war. Sie rieb sich die Stirn. Jetzt bloß nicht komisch werden, bläute sie sich ein, nicht die Nerven verlieren. Sie öffnete die
Tür nicht, was sollte sie im leeren Zimmer ihrer Mutter? Sehnsucht kriegen? Tapfer machte sie kehrt, griff mürrisch eine Wolldecke vom Sofa und kehrte zu ihrer Hütte in der Plantage
zurück.
    Paula war von dem unerklärlichen Lärm beinahe zu Tode erschrocken. Sie dachte, dass die Person eintreten würde, doch nun hallten die Schritte die Treppe hinab
und verschwanden ganz. Das Haus stand also nicht leer, wie hatte sie das auch erwarten können. Ich werde weiterziehen müssen, nahm sie sich vor. Aber Leib und Seele wehrten sich, sie
hatte keine Kraft mehr, die Augen fielen ihr zu, sie schlief ein, wachte auf, schlief wieder ein. Ihr Muskel übte schon, zog sich zusammen und entspannte sich wieder. Ein weiteres Hin und
Her.

BEGEGNUNG
    E s gab eine Menge Typen im Ort, die an ihrer Stelle aufgehört hätten, in der öden Hütte zu leben. Nicht wegen der mangelnden
Mutterliebe, sondern wegen des fehlenden Stroms da draußen. Annie war schon ihr Leben lang Steinzeit , wie Fritzi es nannte, las die Uhrzeit am Sonnenstand ab
und erfuhr die Neuigkeiten aus einer alten Zeitung. Die Jugendlichen im Ort dagegen waren seit Jahren vernetzt, doch sie lasen online keine Neuigkeiten, sondern entwickelten mit Übereifer in
ihren Allianzen strategische Schlachtpläne und ließen Erz aus Bergwerken fördern oder spielten sich mit Göttern und Killern geistesarm, saßen drei Viertel eines Tages vor
Bildschirmen, aßen die von Müttern angeschleppten Teller leer und tranken Cola oder Sauerstoffwasser, um nicht müde vom Stuhl zu fallen. Wenn sie sich auf den Weg zur Schule machen
mussten, weil das Gesetz sie zwang, hingen sie weiter am Kopfhörer und dröhnten sich die Musik ins Hirn. Annie hatte all diese Geräte nicht, aber nun, allein, wie sie war, ersehnte
sie sich diese Zerstreuungen wie nie zuvor.
    In ihrer zweiten Nacht in der Plantagenhütte schreckte sie hoch, hörte wieder Schritte, Gespräche, eine Männerstimme – keine Einbildung diesmal, keine
Albträume. Ihr graute. Deutlich hörte sie das Kichern einer Frau. Menschen waren hinten am Feldweg, spazierten dort. Die Geräusche kamen näher, jemand machte sich an der
Schuppentür zu schaffen. So schnell sie konnte, sprang Annie unters Bett, die Fremden kamen herein, die Katzen glitten eilig hinaus.
    Eine Frau: »Wie das hier stinkt, wieso steht das Bett jetzt drin?«
    Ein Mann: »Komm, egal, mach! Leg dich her.«
    »Draußen war immer schöner.«
    Annie erkannte die Stimme des Bäckers, der sich nun mit irgendwem in roten Schuhen auf ihr Bett warf. Der Platz darunter wurde bedenklich eng, ein Slip kam gefallen, die Cordhose des
Bäckers hinterher, alles direkt vor ihrem Gesicht, nun ein kleines Plastikding, viereckig, nicht groß, mit Mundstück, wie eine Pfeife.
    Die Frau beklagte sich ein zweites Mal: »Hier stinkts wie Sau!«
    Dann schmatzten neue Küsse, das Bettgestell knarzte und quietschte. Der Bäcker schnaufte schon, stöhnte heftiger. Das alles war dem Mädchen nicht unbekannt, schon länger
erforschte es die entsprechenden Geräusche der Erwachsenen. Man hörte sie auf Sommerwiesen, in Weizenfeldern, im hohen Schilf an den kleinen Tümpeln der Gegend, wenn man ein Ohr
dafür hatte. Inzwischen kam der Mann in Fahrt. Mit der Bäckerin tat er es jedenfalls nicht, die trug keine roten Schuhe, sondern Latschen aus einem Geschäft, wo es auch Windeln
für Erwachsene gab. Das Schnaufen klang Annies Ansicht nach nun beängstigend pfeifend und gehechelt; plötzlich fuhr der Bäcker hoch, stand barfuß neben dem Bett, schnappte
verzweifelt nach Luft, suchte fluchend nach etwas, röchelte. Die Frau nörgelte, was denn los sei, verdammt. Unter ihnen wunderte Annie sich sehr, welche Flüche diese Person bei der
Liebe ausstieß. Sie würde so

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