Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)
etwas in dieser Situation sicher nicht sagen, was los sei und verdammt. Sie würde Liebling, was ist mit dir? fragen,
wenn ihr armer Freund derart schnaufen musste.
Der Bäcker stürzte aus der Tür: »Hier müssen Katzen sein.«
Er kämpfte offensichtlich um sein Leben, bekam kaum Luft.
»Wo ist die Tröte?«, keuchte er.
Blitzschnell schob Annie das Plastikding neben den Slip, die Frau stand auf, schnappte sich ihr Höschen, zog sich an, die Schuhe hatte sie auch im Bett angelassen. Nun nahm sie endlich die
Tröte in die Hand, die ihr Bettgenosse so dringend brauchte, drehte das Ding hin und her, betrachtete es und warf es tatsächlich wieder auf den Boden zurück. Annie hielt den Atem an:
Sie wollte ihm nicht helfen! Stattdessen stöckelte sie hinaus und ging dem Bäcker gemächlich nach. Der stolperte bereits nach Hause – die Tür hatten die beiden offen
gelassen.
Annie nahm sich fest vor, es anders zu machen, wenn sie mal eine Frau war. Sie wollte sich nicht in Schuppen lieben, sondern daheim und, wenn’s möglich war, nicht mit einem fremden
Bäcker, sondern mit ihrem eigenen Freund oder Mann, falls er nett und zärtlich war, das war Bedingung. Wenn nicht, so versprach sie sich, konnte er gehen.
Sie krabbelte unter dem Bett hervor, schloss die Tür und legte sich wieder hin – es dauerte lange, bis sie sich beruhigen konnte und einschlief. Das Kissen roch fremd.
Am nächsten Morgen machte Annie sich auf zum Bäcker. Der hatte die Sache überlebt, stand gesund hinter der Verkaufstheke. Wird daheim eine zweite Tröte gehabt haben, dachte
Annie und murmelte ein Gott sei Dank . Er dagegen maulte sie sogleich an: »Deine Mutter ist fort, der Opa auch, keiner bezahlt, also raus hier, aber fix! Sonst
ruf ich noch das Jugendamt, die sperren dich dann weg.«
Doch Annie war hungrig, musste etwas essen – der Butterkuchen duftete nach frischer Hefe, war mit Zucker und Mandeln belegt –, sie konnte sich keine Rücksicht leisten,
legte deshalb wortlos die Tröte auf den Tresen und starrte den Bäcker an, wie sonst nur Galle starrte.
»Wo hast du die her?«
»Ich schlafe nicht immer daheim, sondern liege in Hütten unter Betten und warte auf Besuch.«
Der Bäcker sah sie kraftlos an, es war alles gesagt: »Nimm, was du magst: Brot, Kuchen, so viel du willst. Und dann schnell wieder ab, du kleiner Stinker, du. Riechst wie ein
Hühnerstall.«
In diesem Moment ging die Ladentür auf, und die roten Schuhe stöckelten herein. Die Frau siezte den Bäcker und bat kühl um eine Unterschrift auf dem Lieferschein. Annie
bewunderte, wie gut sie die Liebschaft verbergen konnte. Im selben Moment kam die Bäckerin aus der Backstube und sortierte die frischen Brote in die Regale.
»Ich hab so Hunger, lieber Onkel Bäcker«, sagte sie da mit kindlicher Stimme. »Bitte helfen Sie mir, solange ich in meiner Kirschplantage wohne, Sie kennen doch die
Hütte dort, wo die Katzen wohnen.«
Die roten Schuhe grinsten breit, blickten von dem Mädchen zur Ehefrau und zurück zum allergischen Asthmatiker, der mürrisch dreinschaute, als hätten bloß die Katzen den
gestrigen Abend verdorben. Die Dame verließ den Laden keuchend mit einem provozierenden Husten.
Nun wurde Annie dreist: »Ich habe jeden Tag Hunger.«
Da mischte sich die Bäckersfrau ein und bat ihren Mann: »Gib dem Mädchen was zu essen, Heinz. Seine Mutter ist durchgedreht, sein Opa ist durchgedreht, das Kind braucht jetzt
jede Unterstützung!«
»Hätten Sie vielleicht auch ein Kofferradio mit Batterien übrig?«
Die Bäckerin sah sie mitleidig an: »Ja, Kind, wozu denn das?«
»Ich hätte gern Musik in der Hütte. Und Hörspiele. Ich fühle mich sonst so allein.«
Sie schüttelte den Kopf. »Wir haben keines.«
Annie wusste noch von ganz anderen Dingen als dem Keuchen des harmlosen Bäckers. Sie hatte dieses Thema nicht gewählt, es war ihr geradezu aufgedrängt worden.
Wenn sie im Dschungel gelebt hätte zwischen Affen, wäre sie Affenforscherin geworden. Um sie herum gab es aber keine Affen, stattdessen aber jede Menge Befriedigung. So war sie Sammlerin
von sexuellen Eigentümlichkeiten geworden. Ihr bester wissenschaftlicher Fund war der Vetter zweiten Grades vom Chef der Feuerwehr, der sich vorn eine weiße Bohne reingesteckt hatte.
Annie hat diese Geschichte an der Bushaltestelle gehört, so was erzählte man sich da. Sie schrieb diese Dinge auf, sammelte Beweise, machte Fotos, wenn es möglich war. In diesem Fall
war das
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