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Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)

Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)

Titel: Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Schreiber
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auf die Hand und noch auf dem Feld, sonst ließ sich
keiner auf diese mühsame Arbeit ein.
    Sie brauchte also Bargeld. Sie musste unbedingt mit dem Sparkassenmann einig werden, auch wenn sie in seinen Augen ein Kind war und somit nicht geschäftsfähig. Das Verrückte an
dem Mann war, dass er seit Jahren in ihre Mutter verknallt war. Das Blöde für Nette war – bei allem Verständnis für ihre Sehnsucht nach einem Mann –, dass
dieser Mensch unmöglich war. Er kaute mit offenem Mund, und niemand begriff, wie er es fertigbrachte, dass ihm dabei nichts herausfiel. Ansonsten sah er sogar recht passabel aus, sportlich
gewiss, trug aber scheußlich bunte Pullover. Am unerklärlichsten jedoch war, dass er dauernd in die falsche Richtung guckte. Samstagnachmittags hockte er in der Kneipe, wo die
Konferenzschaltung der Bundesliga lief, alle Leute guckten auf den Bildschirm und fieberten mit, nur er saß mit dem Rücken zum Geschehen, trank sein Bier – mit offenem Mund,
wie ging das nur? –, schaute aus dem Fenster und wandte sich nicht mal um, wenn Tore fielen.
    »Wieso nimmst du nicht den?«, hatte Opa seine Tochter feixend gefragt.
    Nette hatte ihren Kopf geschüttelt: »Wenn ich mir vorstelle, diesen Kauer für immer verkehrtrum an meinem Tisch …«
    Und trotz alledem stand Annie nun unterwürfig vor seinem Schreibtisch, wie bei der Bundeswehr üblich, Arme hinter dem Rücken und Brust raus. Er dagegen nuckelte am Zeigefinger und
blickte an ihr herunter.
    »Ich könnte die Früchte in der Stadt verkaufen, auf dem Markt, da gibt es die besten Preise.« Sie lächelte schief.
    »Du hast doch nicht mal eine Konzession.«
    »Was ist das?«
    »Eine Genehmigung, dort zu verkaufen, das Recht auf einen Verkaufsstand.«
    »Braucht man das?«
    »Aber ja.«
    »Dann bringe ich die Früchte zur Genossenschaft.«
    »Seid ihr dort Mitglied?«
    Der Kauer wollte sie demütigen, das spürte sie, im Grunde konnte sie gehen. Und hoffte doch auf sein Einlenken, ein Wunder.
    »Ich könnte es werden, vielleicht.«
    »Du bist ein Kind, hast du das vergessen? Wer passt eigentlich auf dich auf?«
    »Ich könnte die Kirschen in einer Safterei abliefern.«
    »Dort kriegst du nur die Hälfte von dem, was du auf dem Frischmarkt bekommst.«
    Sie fühlte, wie sie ihre stramme Haltung verlor, ihre Schultern sanken. Jetzt bloß nicht weinen. Er piesackte sie weiter, was gefiel ihm daran? Rekruten wurden auch gequält,
hatte Annie gelesen. Nun verschränkte sie ihre Arme vor der Brust und stellte ihre Beine breiter auf.
    »Und was machst du«, fragte er gehässig, »wenn du keine Idee mehr hast?«
    »Ich finde eine Lösung, irgendwie.«
    Sollte sie kontern oder sich fortschleichen? Sie ging zur Tür, drehte sich noch einmal um zu ihm: »Wenn ich keine Idee mehr habe, rein gar keine, was ich dann mache?«
    »Ja, was dann?« Er grinste immer noch.
    »Dann such ich mir ’nen Job bei deiner Bank.«
    Da grinste sie und ließ ihn verstört zurück.
    Lastwagen-Uli nannten ihn alle, dabei hatte er lange hinter keinem Lenkrad mehr gesessen, weil er schon Jahre arbeitslos war. Seine Tage hatten
kein Datum mehr, und die Stunden wollten nichts von ihm, er hatte keine Eile. Annie malte sich aus, dass er sicher eine Menge anderer Fahrer ohne Arbeit kannte, sie konnten miteinander loslegen und
würden bestimmt einverstanden sein, erst nach der Ernte ausbezahlt zu werden.
    Doch Uli war am Morgen genauso müde wie am Abend, er aß fast nichts und verdaute das wenige noch schlecht. Er ging nirgendwo mehr hin, sondern saß tagsüber am
Küchentisch, er mochte die warme Jahreszeit nicht, weil ihm dann zu heiß war, und die kühleren Tage nicht, weil ihm dann zu kalt war.
    Seine Frau kochte ihm vor ihrer Arbeit Kaffee, der kalt war, wenn er es endlich in die Küche schaffte. Mit einem Wurstbrot in der Hand eilte sie weiter zur Bushaltestelle. Sie war
Verkäuferin in einer fünfzehn Kilometer entfernten Parfümerie, die vielen Pröbchen und Düfte stanken ihr gewaltig, die Beine schmerzten ihr vom stundenlangen Stehen, aber
so sorgte sie für das Auskommen ihrer Familie. Lastwagen-Uli saß in der Zwischenzeit matt am Küchentisch und drehte sich eine nach der andern.
    »Die Kirschernte, wenn du helfen könntest, Uli?«
    Die Wohnung war blitzblank geputzt und aufgeräumt, es roch nach Zitrone, am Fenster stand ein bunter Blumenstrauß mit Kornblumen und Löwenmäulchen. Ulis Junge war sitzen
geblieben und musste sich nun in den Sommerferien herumplagen

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