Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)
Hose.
Fritzi kam zwischen den Baumreihen auf sie zugestöckelt und winkte.
»isch helf dir eh«, bot ausgerechnet sie an.
»Bei was?«
»ernte ne.«
»Wie willst du das denn machen, du allein?«
»du und isch sind zwei, und galle, sind wir zusammen vier.«
Annie schüttelte den Kopf und fragte sich, was aus diesem Mädchen noch werden sollte.
»flashmob, schon haste alles, leute und so online ne.«
»Ich kenne mich nicht aus.«
»community is besser als alles, da mammer jets ernte als act.«
Annie begriff nicht, wovon diese Miss Worldwide wireless redete, weder ihre Worte noch deren Sinn. Dabei hatte der Bäcker berichtet, dass ausgerechnet Fritzi neben den Schularbeiten bereits
einen Haufen Geld verdiente. Wer war wirklich die Ahnungslose von beiden?
»Fritzi, verrat mir mal, wie verdienst du dein Geld?«
»leischt, inne firma auf vierhundert-euro-basis, fake-sms, bin immer andere tusse ne.«
Annie schüttelte genervt den Kopf und bat: »Erklär mir jetzt mal ganz langsam, was du da machst.«
Fritzi schaute wieder so, den Kopf schräg gelegt, und konnte Annie nur für unterbelichtet halten. Ihrer Meinung nach hatte diese Gymnasiastin eine Unterstützung von Aktion Mensch nötig und nicht sie selbst, mit so einer musste man Geduld haben, Lernhilfen anbieten und mal Kleider spenden, und nicht für sie!
»sms, klar?«
»Kenne ich.«
»jetz typen, sex, alles, nee, fraun auch, is egal, klar?«
»Okay?!«
»schicken die sms, kriegen die antwort. oh, isch 17, blond und so, ab jetz kostet, heißmachen, hin und her, ficken, blasen, alles wollen, laber von treffpunkt, aber nie da, mutter
krank, wein, heul. jede sms drei euro, isch hab fuffzig kunden, bin immer wer anders, frau, mann, alt, jung. alles lüge.«
Annie fühlte sich wie eine Außerirdische, die solch kryptische Mitteilungen in ihre eigene Sprache übersetzen musste: Fritzi arbeitete allem Anschein nach für eine Firma,
die Flirtvermittlung per Textnachricht anbot. Den Nutzern wurde suggeriert, sie hätten einen Liebeskontakt gefunden, eine Frau, einen Mann, egal. Sie zahlten für jede Nachricht, die sie
mit dem neuen möglichen Geliebten austauschten, und sie hofften, denjenigen oder diejenige bald kennenlernen zu dürfen, würden ihn aber niemals sehen, weil es ihn oder sie gar nicht
gab. Es war immer Fritzi, die spielte alle Partner, ob junge oder alte, Männer oder Frauen, sie log das Blaue vom Himmel herunter, vertröstete, solange es ging. Das Ganze
höchstwahrscheinlich sogar legal und versteuert. Und die Sehnsüchtigen da draußen büßten mit horrenden Rechnungen.
»Das ist gemein.«
»is scheisegal, muss auch leben. was is nu mit helfen?«
Fritzi lächelte breit.
»Willst du mir wirklich helfen?«
Fritzi tippte sich an die Stirn: »ja nu, was sag isch hier immer? helfen, sag ich, un du fragst: helfen, eij? weist du was, du checkst nich gut, blöd im hirn, aber sonst
korrekt.«
Annie fragte zur Sicherheit noch einmal: »Du kannst genug Pflücker besorgen?«
»jep, online.«
»O.k., bitte hilf mir.«
Fritzi stöckelte unternehmungslustig davon, ihr Handy bereits am Ohr.
»Und danke schön noch mal«, rief Annie hinter ihr her.
Sie glaubte ihrer Freundin kein Wort und würde trotzdem die Obstkisten in die Plantage fahren, falls ein Wunder geschah und Fritzis Pläne tatsächlich glückten. Es war Annies
letzte Chance – noch konnte man die Kirschen in die Safterei bringen.
Galle war inzwischen aufgewacht und hielt sich den aufgeblähten Bauch. Leise sang er ein Lied von Richard Wagner über Schwangerschaften, wahrscheinlich aus seinem Film.
GÄSTE
A m nächsten Morgen forderte Annie beim Bäcker neben ihrer üblichen Portion zwei Stücke Butterkuchen mit Mandeln. Die
Brötchen aß sie im Gehen und befahl sich selbst, den herrlichen Kuchen für den Nachmittag aufzubewahren. Daheim kletterte sie zum zweiten Mal über den rostigen Pflug und die
Egge und schob ein paar Säcke in der Scheune beiseite, bis sie die Rückwand erreicht hatte. Nun begann sie mit der mühseligen Aufgabe, die zahlreichen Obstkisten aus dem hinteren
Teil der Scheune herauszuzerren und vor das Tor zu stellen. Später würde sie diese Ladung mit einem Anhänger zur Plantage fahren, obwohl sie nicht glaubte, dass Fritzi etwas
erreichen würde. Viele Male kletterte sie hin und wieder her, die Luft war trocken, sie bekam Durst, unterbrach ihre Arbeit und öffnete zögernd und so geräuschlos ihre eigene
Haustür, als wäre sie eine
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