Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)

Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)

Titel: Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Schreiber
Vom Netzwerk:
mögen Hunde«, der Apotheker musste sich nun doch ein Grinsen verkneifen.
    »Ich sammle so was, das nehme ich dazu.«
    Er schaute sie erschrocken an: »Wie bitte?«
    »Was die Leute alles machen, schreibe ich in mein Herbarium.«
    »Herbarium? Du untersuchst Pflanzen?«
    »Nein, ich sammle Sex.«
    »Großer Gott, stehe ich da auch drin?«
    Sie schüttelte den Kopf: »Sie haben ja keinen.«
    »Ha!«, lachte er auf und schüttelte den Kopf. »Komm, ich bringe dich heim, sicher ist sicher.«
    »Ich schlafe in der Hütte.«
    »In der Plantage? Das wird ja eine Nachtwanderung, ich bin in meiner Nachtwäsche.«
    »Ich kann allein gehen.«
    »Und wenn dich einer packt, im Dunkeln? Du siehst doch, was hier los ist. Nichts da, ich bringe dich hin.«
    Die Horde der Schaulustigen schaute dem Apotheker nach, der mit einem Mädchen Hand in Hand gekommen war und es nun zurück in die Nacht führte, einzig bekleidet mit einem
lächerlichen Rock.
    »Diese perverse Sau«, geiferten sie hinter ihm her. Der Bäcker hats gemeint, der Onkel hat gedacht, er würde es ihm bei Gelegenheit mal heimzahlen, und der Förster hat
ihn beneidet. Er mochte Kinder.
    Am nächsten Morgen kam Annie ungewohnt langsam auf die Beine. Sie wusch sich im Bach, zog lustlos ihre vier Sachen an, holte sich ihr Frühstück beim Bäcker
ab und ging zur Scheune, um nachzusehen, ob die alten Stiegen noch taugten. Alles stand an seinem Platz: die Arbeitsgeräte, Kisten, Stroh und Heu. Sie horchte genauer – hier und da
raschelte es, die üblichen Mäuse. Weit hinten in einer Ecke stapelten sich die flachen Obstkisten, in die sie früher die gepflückten Kirschen gelegt hatten, als das
Pflücken noch Handarbeit war. Seit Jahren hatte sie niemand mehr angerührt, aber auch nicht fortgeräumt, um Platz zu schaffen; Annies Mutter warf nicht mal den letzten Dreck weg, Opa
ebenso wenig. Annie kletterte bis zu den Kisten und prüfte ihren Zustand, sie waren zwar staubig, aber funktionstüchtig. In manchen waren Löcher, doch die ließen sich mit
frisch gerupftem Gras oder Blättern stopfen. Die Ernte droht zu verderben, ging ihr durch den Kopf. Sie wollte wenigstens pflücken, was möglich war, nahm so viel Stiegen, wie sie
tragen konnte, und brachte sie zur Plantage.
    Die Stare fraßen inzwischen an jeder Ecke, in allen Bäumen. Annie schrie nicht mehr dagegen an, sie wusste nicht mal, wo die Trommel stand. Es war Kinderkram
gewesen, wurde ihr klar. Sie hatte mit dem Krach keine einzige Kirsche gerettet. Nette hatte sie losgeschickt, damit sie beschäftigt war, sich an monotone Arbeit gewöhnte und auf keine
dummen Gedanken kam. Dieser Plan war aufgegangen, Annie war mit den Kirschen eins geworden und nun ebenso wie sie in aussichtsloser Lage.
    Einzig Galle half ihr, machte sich tapfer an die Arbeit und pflückte wahrhaftig knapp sechs Kilo. Ermüdet setzte er sich schließlich mit seiner Ernte in den Schatten unter einen
Baum. Wieder hatte er so einen herrlichen Platz gewählt, die Blätter schützten ihn vor der Sonne, die sauren Kirschen löschten den Durst. Annie bot ihm die Zeitung an,
vielleicht verlegte er sich doch aufs Lesen, besser, als immerzu seinen Film zu gucken und sonst nichts. Er nahm das Feuilleton und benutzte es als Kopfkissen, aß im Liegen weiter,
döste, träumte, aß und spielte Kirschkernspucken.
    Annie dagegen arbeitete, wie sie es gelernt hatte, griff beim Pflücken in den Baum, als spielte sie Geige, die vier Finger gespreizt, den Daumen um den Ast gelegt, als wäre er der
Steg. So packte sie zu und zog die Früchte mit, als würde sie mit der Hand die Lagen wechseln. Die Stiele blieben am Baum hängen, während die Kirschen zuhauf in einen Eimer
fielen, der vor ihrem Bauch baumelte. Viele waren schon überreif, der Saft blutete heraus, tropfte ihr den Arm herunter, und weil sie sich wieder und wieder nach den höheren Ästen
ausstrecken musste, lief ihr die Fruchtsoße bis in die Achselhöhle.
    Ab dem nächsten Tag würden die Kirschen massenweise fallen, eine Woche später wäre alles verfault, Vögel und Würmer vernichteten den Jahreslohn, und sie konnte es
nicht verhindern, das war ihr nun klar.
    Galle hatte während der langen Pause unter seinem Baum seine gesamte Ernte aufgefuttert. Sein Körper würde sich rächen, das wusste Annie nur zu gut. Im Moment aber schlief er
im Schatten des Baumes, der alte liebe Narr. Sie streichelte ihm über die Haare, stand auf und klopfte sich den Staub von der schäbigen

Weitere Kostenlose Bücher