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Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)

Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)

Titel: Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Schreiber
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Grillhütte geschlafen hatte. Ihr Schnaufen wurde heftiger, als sie ihn sah, aber sie blieb
reglos liegen und konnte anscheinend vor Erschöpfung nicht mal ihre Augenlider offen halten. Galle berührte sie leicht an der Schulter, als wolle er sie begrüßen oder
sichergehen, dass sie überhaupt noch lebte. Da hob sie mühsam ihren Arm, wollte ihn verscheuchen oder sogar schlagen, doch der Arm plumpste kraftlos zurück ins Gras. Erstes Licht
dämmerte, die Sonne ging auf.
    Die Wiese neben dem Graben war Tage zuvor gemäht worden, es duftete nach Tau und Heu. Das Getreide auf den Feldern ringsherum stand aufrecht, die Ähren warteten auf die unerbittliche
Hitze, matte Menschen dagegen sollten nicht an einem solch schattenlosen Ort bleiben. Galle begriff das ganz genau, die junge Frau schien bereits ebenso erschöpft wie der Postbote, kurz bevor
er beerdigt wurde. Dieser Gedanke verweilte eine Minute in ihm, verdorren, sterben – genug davon. Er wandte sich Paula zu, streckte seine Arme aus, stand minutenlang da wie die Skulptur
eines Selbstlosen, die nur Ernst Barlach hätte gestalten können. Sie sollte Zeit haben, Galle zu betrachten. Er hörte sie flach atmen, die Vögel begannen zu singen, endlich
zitterten ihre Lippen: »Hilfe.«
    Da legte er einen Arm unter ihre Kniekehlen, den anderen um ihre Schultern, jedoch mit solch ausgestreckten Armen, dass Paula ihn selbst eng umschlingen musste, um Halt zu finden, sie krallte
sich förmlich rechts in seinen Nacken, links in die Schulter, es tat ihm weh, aber er beschwerte sich nicht.
    Die Kranke klagte bei jedem seiner Schritte, der Weg zurück war weit und beschwerlich. Als er sie einmal ablegen musste, um Kräfte zu sammeln, sah er frisches Blut an ihren Beinen. Nun
zog er sie näher an seinen Körper und brachte sie schnell zur Apotheke.
    Annies Augen öffneten sich, ihre Gedanken warfen vieles durcheinander, sie fragte sich, ob sie womöglich verschlafen hatte und nun zu spät zur Schule käme
und weshalb sie auf dem Fußboden lag, inmitten ihrer Einkäufe. Sie musste in der Nacht aus dem Bett gefallen sein. Langsam dämmerte ihr, was wirklich geschehen war, da sprang sie
auf und stürmte zum Kind. Es lebte, schien jedoch zu erschöpft, um nach Milch zu schreien. Annie suchte nach der Verschwundenen, rief laut ihren Namen, fand sie weder im Bad noch sonst
irgendwo. Sie ertrug all diese Schrecken kaum mehr. Keine Zeit zu zittern, bläute sie sich ein, jetzt nicht nachdenken, sondern sofort eine Flasche zubereiten, der Kleine verdurstete sonst.
Sie studierte die Anleitung auf dem Milchpulver – die Buchstaben verschwammen beim Lesen –, kochte Wasser, hörte den Kleinen jammern, er war aufgewacht. Umso eiliger
hantierte sie mit Messbechern, ließ sie in der Aufregung fallen, jetzt klang sein Weinen wie ein unglaublich zähes Quäken, das sie nahezu wahnsinnig machte und ihr klipp und klar zu
machen schien: Wenn du dich jetzt nicht um mich kümmerst, erschlage ich dich, sobald ich kann.
    Sie kühlte die Flasche trotzdem sorgfältig unter laufend kaltem Wasser, mischte und schüttelte und wusste nicht mal, weshalb ihr das so mühelos gelang. Sie zitterte
nämlich vor Angst, etwas falsch zu machen, und hatte doch die Flaschen und die Sauger vorher abgekocht, ihre Hände waren überdies so sauber wie sonst nie. Sie tropfte etwas von der
Milch auf ihren Handrücken, sie war lauwarm.
    Dann nahm sie das Baby in den Arm, setzte sich mit ihm in den Sessel und träufelte ihm ein paar Tropfen auf die Lippen, stupste den Nuckel an seine Wange, da verstummte es endlich und
schnappte zu wie ein Fisch.
    Mit offenem Mund und voller Konzentration staunte Annie, es war schließlich seine erste Mahlzeit: »Futtern kannst du, das muss man dir lassen.«
    Irgendwann wurde der Unterdruck in der Flasche zu stark, und er bekam keine Milch mehr heraus, doch er ließ vor Gier den Nuckel nicht los, saugte einfach weiter, starrte seine
Ernährerin böse an. Annie war gezwungen, die Flasche aus seinem Mund zu zerren, damit der Unterdruck entweichen konnte, im Glas gluckerte es, sie musste diesen Moment abwarten, obwohl
sein wütender Blick sie zur Hölle schickte, weil sie das Essen unterbrach.
    Sie selbst war seit vielen Stunden nicht dazu gekommen, etwas zu sich zu nehmen, jetzt erst spürte sie ihren eigenen Hunger. Sie legte den Kleinen vorsichtig mit dem Bauch an ihre linke
Schulter, klopfte ihm sanft auf den Rücken und ließ ihn aufstoßen, bettete ihn sicher. Dann

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