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Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)

Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)

Titel: Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Schreiber
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hinter dem Rücken fesseln
und ihn dann an die entblößten Brüste halten. Er würde sich bestimmt schnell festsaugen und kräftig nuckeln. Babys können schlucken und atmen gleichzeitig, das konnte
sonst niemand, nur noch der Kauer von der Sparkasse.
    Ob das Stillen auch mit Gewalt ging? Annie hatte ihre Zweifel, es musste wohl freiwillig laufen, sonst kam da sicher nichts getröpfelt. Selbst die Kühe vom Bauern machten
Schwierigkeiten mit der Milch, wenn sie schlechte Laune hatten.
    Sie lief mit dem brüllenden Kind im Zimmer herum, wiegte es hin und her, versuchte es zu beruhigen. Sie steckte ihm ihre Fingerspitze in den Mund, konnte es täuschen, es nuckelte,
für Sekunden war Ruhe, bis es den Betrug bemerkte, den Finger ausspuckte und weiterbrüllte.
    Was sollte sie bloß mit ihm machen? Sie wollte den Kleinen sicher nicht behalten, und Nette würde sie ihn nie und nimmer anvertrauen. Jetzt schrie er so laut, als wolle man ihn
umbringen. Annie hielt ihn hoch, wie einen Hauptgewinn an der Losbude, und rief zu Paula hinüber: »Schau mal, du bekommst Kindergeld dafür.«
    Keine Reaktion.
    »Später wird er dir nützlich sein, du kannst ihn für dich arbeiten lassen, staubsaugen und so!«
    Ich werde ihn ihr aufzwingen müssen, dachte Annie, legte das Kind einfach neben die junge Mutter, so werden sich die beiden näherkommen. Mütter taten ihren Babys nicht weh, bei
denen kam die Liebe automatisch. Mit diesem Gedanken rannte sie los. In der Schublade lagen die Autoschlüssel, in der Gefriertruhe das Geld.
    »Ich kaufe Milch für ihn und eine Flasche, pass solange auf, bitte.«
    Je schneller sie fuhr, überlegte sie, desto früher würde sie mit dem Nötigen zurück sein. Vor der Garage kam es ihr vor, als habe sie von oben ein quiekendes
Geräusch gehört. Ängstlich schlich sie zurück und stellte sich vor, Paula wäre eine bissige Ratte, die ihr Kleines packte oder schüttelte. Wie viele Eltern taten das,
auch das konnte man in der Zeitung lesen! Doch Mutter und Kind lagen noch immer im Bett, das Baby weinte leise, oder war es Paula? Annie wusste es nicht genau. Sollte sie ihr sagen, dass sie das
Kind nicht behalten musste, dass sie sich kümmern würde, wenn’s nötig wäre? Dass sie dem Gangster nicht wehtun durfte, selbst wenn das Schreien sie nervte. Sie hätte
all das erklären müssen. Vielleicht stillte Paula den Kleinen ja, wenn sie Ruhe hatte.
    Annie lief also wieder hinaus und setzte sich ins Auto. Sie kannte die Schleichwege zum Parkplatz des Einkaufszentrums in der nächsten Stadt, es war die Strecke, auf der Opa ihr das
Autofahren beigebracht hatte. Nur dort konnte sie um diese Zeit einkaufen. Babykleidung gab es da zwar nicht, dafür aber einen großen Teddy im Angebot, der einen dunkelroten
Strickpullover und eine karierte Latzhose trug, den nahm sie mit. Ihr fiel ein, dass auch Paula etwas zu essen und zu trinken brauchte. Also kaufte sie Säfte, Cola, Süßes, Chips und
Nüsse, Tütensuppe, Gurken und Mäusespeck, was Mütter eben so essen, wenn sie fertig mit den Nerven sind. Es dauerte, bis sie den ganzen Kram beisammenhatte, schließlich
fuhr sie beim Ausparken vor Ungeduld gegen einen Laternenpfahl und verpasste dem Ford eine Beule.
    Während der Rückfahrt gingen ihr schreckliche Geschichten durch den Kopf, es gab doch diese Menschen, die ihre eigenen Kinder in Blumenkästen legten oder in die
Tiefkühltruhe, aus Verzweiflung, Angst oder Irrsinn. Wer war diese Paula?
    Das Auto stand noch nicht richtig, da sprang Annie schon heraus, lief mit ihren Tüten ins Haus, die Treppe hoch: Da lag das Baby bewegungslos im Bett, Paula aber war fort. Die Tüten
fielen Annie aus der Hand, sie verlor das Bewusstsein und sank zu ihren Einkäufen auf den Boden.
    Galle war mitten in der Nacht aufgewacht, hatte sich angezogen, ohne sich zu fragen, weshalb er das tat, es gab allem Anschein nach keinen erkennbaren Grund. War mit einer
Taschenlampe quer über die Felder gelaufen, als wäre er von jemandem alarmiert worden. Sein Lichtkegel glitt über den Acker. Womöglich hatte er genau für diesen wichtigen
Moment naiv werden müssen, vernünftige Leute wären einem solchen Drang nicht nachgegangen, nach Mitternacht ohne Grund loszuziehen. Er dagegen hatte Paula tatsächlich so
entdeckt. Sie lag in einem Graben, Haare und Hände schmutzig, und jappte wie eine, die sich müde gelaufen hat.
    Er glotzte das Mädchen an und begriff, wer es war: die Frau von der Himbeerhecke, die in der

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