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Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)

Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)

Titel: Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Schreiber
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kommen. Ich werde darum im Garten
ein Loch graben und sie dort verstecken müssen, niemand weiß von ihr, Zeugen gibt es nicht. Ja, und das Kind? Es ist doch da. Also kann man das Geschehene nicht vertuschen! Gut, dass ich
keinen eingeweiht hab, gut, sehr gut. Schlecht ist das, alles schlecht.
    Annie war von Angst und Sorge erfüllt, ihre Gedanken wanderten hin und her, als laufe sie in der Plantage den Staren nach, hinauf wurde alles gut, und herunter hatte sie keine Chance.

FÜRSORGE
    E s war wie Weihnachten, der Kleine schien auf seine Weisen aus dem Morgenland zu warten, die bepackt wären mit Geschenken, und war
anständig still. Paula schwieg, Annie saß auf der Bettkante und hielt ihre Hand, lauschte wie das Kind Chören, Halleluja und Gloria, Glockendröhnen und Orgelspiel, als
gäbe es das tatsächlich, atmete tief ein und fest wieder aus, schlief in Gedanken gemütlich zwölf Stunden durch, ließ sich von Sonnenstrahlen wecken, duschte und
verspeiste ein kräftiges Frühstück, Speck und Eier, Opa hatte den Tisch gedeckt, Nette stand am Herd und trug eine Schürze, man glaubte es fast nicht, mütterlich sah sie
darin aus und lachte lieb. Dann schwand die schöne Vorstellung, in Annies Magen war nur Leere, die Familie war fort. Sie hatte nur Sekunden geträumt und sich doch dadurch erholt. Niemand
würde hier sterben, kein fremdes Mädchen begraben werden. Die Fußballer vom FC Wolke Null Sechs hatten nach jedem Spiel ein Motto, dass Annie sich nun zu eigen machte: Mund
abwischen, weitermachen!
    Das blutige Etwas mit Schnorchel hatte Annie in eine Schüssel gelegt und in die Waschküche getragen. Nun holte sie ein neues großes Bettlaken, breitete es auf dem Fußboden
aus, schlug die Decke zurück, legte Paulas Leib auf dem Boden ab, ging ins Bad, tauchte ein ganzes Handtuch in warmes Wasser und reinigte sie damit, tupfte nur vorsichtig, nutzte einen
Waschlappen als Vorlage über ihre Wunden, zog die verschmutzte Wäsche ab, hob das Mädchen zurück ins frische Bett. Paula stöhnte leise und ließ alles mit sich
geschehen.
    Annie wurde beinahe ohnmächtig vor Müdigkeit, sie musste sich an der Sessellehne abstützen, nahm sich noch vor, das Baby zu baden, nur kurz ausruhen, bloß eine Minute, Paula
dabei fürsorglich im Blick.
    Schon nach wenigen Augenblicken schreckte sie wieder hoch und vermutete, Stunden geschlafen zu haben. Sie stürmte zum Fenster, riss es auf, sog die Nachtluft ein. Diese verdammte Fremde,
was war geschehen? Wo war das Kind? Annie hielt sich am Fensterbrett fest, heulte vor Erschöpfung und Anstrengung, es triefte aus Nase und Augen, Speichel floss ihr aus dem Mund, sie suchte
nach einem Taschentuch, schluchzte ohne Hemmungen und wischte sich endlich das Gesicht mit der alten Gardine ab. Sie ersehnte den Winter und ihre Couch, wollte eine Decke über sich ziehen, die
Augen schließen und schlafen, ohne zu träumen. Was war in den letzten Tagen nicht alles geschehen! In dem Moment quäkte was, ja, Herrgott noch mal, es dämmerte ihr. Endlich
dachte sie wieder vernünftig, hielt sich den Bauch, massierte ihren Rücken, drehte sich um, da lag er in der Ecke, und sie war eingeschlafen, wie konnte sie nur!
    So ein Winzling war einzigartig, da waren die Plantage und die Ernte ein idiotischer Dreck gegen. Aber nun, wie gehts der Mutter? Das fragte man doch zuerst nach einer Geburt: Wie gehts Mutter und Kind? Paula lag im Bett, die Augen geschlossen, dieses prima Mädchen hatte Unglaubliches durchgestanden!
    »Liebe Paula, wie geht es dir?«
    Paula schlief, das war gut, und atmete ganz ordentlich. Annie hob die Bettdecke, dort war keine neue Blutlache, also war so weit alles in Ordnung. Oder etwa nicht?, zweifelte sie.
    Es musste schrecklich sein, malte sie sich aus, wenn im eigenen Körper was drinsteckte, das wuchs und nach draußen drängte, ohne dass man es wollte oder was dagegen machen
konnte. Welche Frau hatte sich je gegen eine Geburt wehren können? Selbst wenn sie eine Vollnarkose wünschte, hatte sie danach eine Narbe und ein Kind. Und selbst wenn sie das Baby
weggeben würde, blieb sie doch immer eine Mutter. Es war dann wie beim Bonanza-Rad, kam Annie in den Sinn: Ich hätte eines haben können, wie würde es nun aussehen, was wäre
daraus geworden, was hätten wir Spaß miteinander gehabt. Hätte, wäre. Da tropfte die Möglichkeitsform ein Leben lang wie chinesische Tropfen und folterte die Frauen
verrückt. Die, die kein Kind bekommen haben. Die, die ihres

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