Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)

Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)

Titel: Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Schreiber
Vom Netzwerk:
stürzte sie sich auf die Chips und schlang sie hinunter wie nichts, vergaß
das Kauen, kippte Cola hinterher, rülpste auch, schluchzte und lachte zugleich. Die Mutter war fort, abgehauen. Sie hatte ein Kind gekriegt. Wahnsinn.
    Annie legte ihrem Drogenboss eine Windel um, zog ihm die hässlichen Klamotten des Teddys über, er sah herrlich bescheuert darin aus, war aber endlich versorgt. Nun saß sie wieder
mit dem Baby im Sessel, hielt es im linken Arm, machte freundliche Fratzen und ploppte ihm etwas vor. Dazu steckte sie ihren Zeigefinger zwischen die Lippen und drückte ihn am linken
Mundwinkel so wieder heraus, dass es dabei leise knallte, wie ein Sektkorken. Das hatte ihre Mutter ihr beigebracht, die konnte sogar mit allen zehn Fingern rechts und links hintereinander ploppen,
das hatte Opa bei Michael Schanze aus dem Kinderfernsehen abgeguckt, als Nette noch klein war. Gewisse Dinge sollte man eben von Generation zu Generation weitergeben, die wichtigen jedenfalls.
    Der kleine Junge war in ihren Armen eingeschlafen, atmete regelmäßig. Annie konnte sehen, wie die Fontanelle pulsierte. Die winzigen Nasenflügel gingen auf und zu, er sog die
Luft tief ein, pustete sie kräftig hinaus, das würde er tun bis zum letzten Atemzug, hundert Jahre lang vielleicht. Annie atmete in seinem Rhythmus mit, dann langsamer in ihrem eigenen,
schnupperte an ihm, besonders die feinen Härchen dufteten herrlich wie sonst nichts auf der Welt.

DER MENSCH
    W enn er schlief, schlief sie ebenfalls, wenn er wach war, bewachte sie ihn. Sein erstes großes Geschäft war nicht kotig braun, sondern
eine Art teerfarbene Spur. Hat einer geahnt, dachte Annie, dass ein frisches Baby schwarz kackt? Es wird ein Zeichen sein, später würde der Gangster schwarzfahren und schwarzarbeiten, das
war also auch alles angeboren, drum war ja Fritzi blöde und sie nicht.
    Was sind gut drei Kilo warmes Menschenfleisch ohne eine Person, die es versorgt? Ein Neugeborener beherrschte zu Beginn nichts, Tiere waren besser dran, fand Annie. Vögel konnten fliegen,
sobald die Federn getrocknet waren und die Winzlinge sich trauten, das Nest zu verlassen. Ein Mensch würde nie von allein fliegen können, und wenn er sich noch so anstrengte. Wenn ein
Kind vom Nestrand fiele, wäre es zerschmettert, ein Vogel dagegen flügge. Ein Mensch konnte auch nicht von Anfang an schwimmen, er musste es erst mühsam lernen, wenn er im Wasser
überleben wollte. Die kleinsten Fische, kaum waren sie geschlüpft, schwammen los, als sei das nichts, und Enten pickten sich eben aus dem Ei und huschten schon sicher über das
Wasser.
    Mit dem Laufen war es bei den Tieren ähnlich, ein frisches Kalb zwang sich gleich nach der Geburt auf die Beine, musste sich so früh wie möglich zur Flucht bereit machen, auch
wenn es zu Beginn noch wacklig war. Wenn es nicht von allein stehen wollte, stupste die Mutter es mit der Schnauze hoch, damit es vom ersten Tag an irgendwie zurechtkam. Den Kleinen hier
könnte Annie lange stupsen, er würde doch nicht stehen.
    Ein Mensch musste sich auf seine paar Instinkte wie Nuckeln oder Greifen verlassen.
    Eigentlich sollten Babys ein Jahr länger im Bauch der Mutter bleiben, überlegte Annie. Währenddessen könnten sie da drin in Ruhe ihre Muskeln trainieren und den eigenen
Händen beibringen, den Weg zum Mund zu finden, damit sie nach dem Essen grapschen konnten, sobald sie draußen waren. Der Mensch vertrug zu Anfang nur Milch und Tee, ein Babyfisch dagegen
futterte bereits dasselbe wie die Großen, bloß in kleineren Portionen.
    Während seines zusätzlichen Jahres im Bauch könnte der Mensch auch in Ruhe Zähne kriegen, das Gejammer dabei würde man auf diese Art nur als Tonstörung im Bauch
hören, und die Eltern hätten draußen ihre Ruhe. Man müsste keine teuren Gläschen kaufen oder Gemüse zerdrücken. Nachteil der Geschichte war, dass der weit
entwickelte Fötus mit seinen Zähnen von innen in die Bauchdecke beißen könnte, aber Mütter hielten ja ohnehin viele Schmerzen aus, die paar Bisse gehörten dann halt
zu den Schwangerschaftsqualen automatisch dazu.
    Zwei Jahre Schwangerschaft wären allerdings noch besser, so könnte das Kind gleich nach der Geburt laufen. Es hätte bereits genug Kraft, selbst zum Kühlschrank zu gehen und
herauszuholen, was es brauchte, und die Eltern hätten nicht mehr so viel Arbeit. Am besten aber wären sechs Jahre: Das Kind würde geboren und ginge gleich in die Schule, kein
Geschrei und

Weitere Kostenlose Bücher