Süße Herzensbrecherin
Es ist ein Ort geschmackloser Schicklichkeit. Die Gästeschar mag wichtig und exklusiv sein, ist jedoch in einer Weise humorlos, dass es mich langweilt.“
„Wenn es Sie so langweilt, brauchen Sie erst gar nicht hinzugehen“, versetzte Cassandra spitz. „Tante Elizabeth würde sich mehr als glücklich schätzen, Emma und mich als Chaperone zu begleiten. Und Edward braucht Sie nicht.“
William lächelte sie unverschämt an. „Wie bitte? Ich soll es mir nehmen lassen, Sie zu Almack’s zu begleiten? Davon will ich nichts hören. Ich bestehe darauf, dass Sie mir zwei Tänze gewähren, und Sie müssen mir versprechen, dass Sie dieses eine Mal nicht für Ihr Institut werben. Anschließend fahren wir zu meiner Residenz am Grosvenor Square. Großmutter hat zu einem kleinen Empfang mit Freunden geladen. Sie kann es nicht erwarten, die junge Dame kennenzulernen, die ihren Enkel heiraten wird.“
Kunstvoll frisiert und in eine über und über mit goldenen Sternchen bestickte Robe aus cremefarbenem Satin gekleidet, gesellte Cassandra sich zu der strahlenden, ebenso hübsch herausgeputzten Emma, die, neben Lady Monkton und Edward stehend, im Entree auf sie wartete. Lady Monkton hatte die Kutsche, die sie in die King Street zu Almack’s bringen sollte, bereits vorfahren lassen. Edward war allein gekommen. Der Earl, so erklärte er Cassandra, sei plötzlich verhindert, versichere jedoch, er werde später nachkommen – vermutlich gegen zehn Uhr –, und sie solle ihm unbedingt zwei Tänze reservieren. Cassandra war gleichermaßen verärgert wie enttäuscht, dies zu hören, doch sie beschloss, sich den Abend nicht dadurch verderben zu lassen, dass sie die ganze Zeit nur an William dachte.
Obgleich sie darauf vorbereitet war, der Welt gegenüber, der sie selber so gern den Rücken gekehrt hätte, ein Zeichen zu setzen, fühlte sie sich, als ob eine Falle zuschnappte, als sie das hochheilige Portal der Almack’s Assembly Rooms durchschritt. Hinter ihrer ruhigen und kontrollierten Fassade kochte sie vor Wut, sich auf dieses Unterfangen eingelassen zu haben.
Als die kleine Gruppe um Lady Monkton den weitläufigen Ballsaal mit den goldverzierten Säulen und den enormen Wandspiegeln betrat, schlugen ihr heiteres Stimmengewirr und Gelächter entgegen. Die Klänge eines Walzers erfüllten den Raum, und tanzende Paare wirbelten übers Parkett, während sich andere Gäste, deren Juwelen im Schein der unzähligen Kerzen glitzerten, am Rand der Tanzfläche drängten und ihre neugierigen Blicke schweifen ließen.
Lady Monkton und die Ihren waren keine fünf Schritte gegangen, als die Unterhaltungen verstummten und man die Köpfe nach ihnen drehte. Dann setzte hektisches Getuschel ein und schwoll zu solcher Lautstärke an, dass Cassandra eine ziemlich klare Vorstellung davon erhielt, welch unerhör ten Skandal das junge Paar in den Augen des ton verursacht hatte.
Die meisten Debütantinnen wurden heute Abend offiziell präsentiert und sahen mit geröteten Wangen und ebenso erwartungsvollen wie ungeduldigen Mienen ihrer ersten Aufforderung zum Tanz entgegen, während ihre Mütter und Anstandsdamen sich mit dem ihnen eigenen Spürsinn daran begaben, geeignete junge Männer ausfindig zu machen und sie dazu zu bringen, ihren Namen in die Tanzkarten der Mädchen einzutragen. Cassandra beobachtete das Geschehen voller Abscheu. Das wird eine lange Nacht, seufzte sie insgeheim und folgte ihrer kleinen Gesellschaft zum gegenüberliegenden Ende des Saals.
Hatten all die jungen Gentlemen Miss Cassandra Greenwood an diesem Abend in Begleitung des Earl of Carlow gewähnt, stellten sie nun erfreut fest, dass er nicht gekommen war. Binnen weniger Minuten umschwirrten sie die junge Dame, die dafür bekannt war, dass sie ihre Verehrer unerbittlich abwies, und trugen sich in ihre Tanzkarte ein.
„Miss Greenwood, welche Überraschung! Ich bin beglückt, Sie heute Abend hier zu sehen.“
Cassandra, die mit ihren Gedanken woanders gewesen war, fuhr zusammen und trat einen Schritt zurück, als sie Sir Charles vor sich stehen sah. Der Gentleman machte eine elegante Verbeugung. „Guten Abend, Sir Charles“, sagte sie reserviert.
Er strahlte sie an. „Falls Ihre Tanzkarte noch nicht randvoll ist mit den Namen Ihrer unzähligen Verehrer, würde ich mich gerne eintragen. Erweisen Sie mir die Ehre, einen oder vielleicht auch zwei Tänze mit mir zu wagen?“
Sie betrachtete ihn nachdenklich. Grisham war ein Dandy, der größten Wert darauf legte, sich
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