Süße Herzensbrecherin
ließ er sie nicht aus den Augen. „Betragen Sie sich Frauen gegenüber immer so unverschämt?“, fragte Cassandra unbehaglich.
Er lächelte träge. „Nur wenn ich sie begehre – und ich sagte Ihnen ja bereits, dass ich Sie begehre.“
„Da haben wir es: Sie erinnern mich schon wieder an begangene Dummheiten.“
Er hob eine Braue. „Ihre oder meine?“
„An Ihre und meine. Ich entsinne mich sehr deutlich je ner beschämenden Momente, in denen ich mich vergaß. Aber ich erklärte Ihnen auch, dass Sie mich in Ruhe lassen sollen.“
Der Ausdruck in seinen Augen wurde rätselhaft, und er betrachtete sie, wie ihr schien, eine ganze Ewigkeit. „Ich frage mich“, begann er schließlich, während er seine Beine übereinanderschlug und eine Hand auf seinen Oberschenkel legte, „ob Ihre Willenskraft ausreicht, um den Versuchungen des Fleisches zu widerstehen.“
„Nichts verstärkt das Verlangen eines Mannes so sehr wie das Widerstreben einer Frau, ihre Jungfräulichkeit herzugeben, ist es nicht so, William?“, konterte sie kühl und beugte sich vor, um ihren nächsten Worten Nachdruck zu verleihen. „Dennoch werde ich meine Tugend nicht im Bett eines Schürzenjägers zu Markte tragen.“
„Da liegt der Haken!“ William lachte herzlich. „Aber beruhigen Sie sich, Cassandra. Ihre Tugend ist bei mir gut aufgehoben. Niemand könnte besorgter um sie sein als ich.“
„Gut aufgehoben!“, höhnte sie. „Verzeihen Sie, wenn ich widerspreche. Wann immer wir einander gegenüberstehen, habe ich das Gefühl, dass Sie nur an das Eine denken können.“
„Genau wie Sie, Cassandra“, entgegnete er prompt. „Aber was mich anbelangt, so habe ich noch andere Gründe, weshalb ich Ihre Gesellschaft suche.“
Ruhig sah sie ihn an, die unerhörte Wette vor Augen. „Ich will keinen davon wissen. Sagen Sie mir nur, weshalb Sie gekommen sind.“
„Die Verlobungsanzeige ist gestern in der Zeitung erschie nen. Sobald Edward von seinem Regiment beurlaubt ist, können wir damit beginnen, es dem ton heimzuzahlen.“
„Oh, und wie sollen wir das bitte anstellen?“
„Zum Beispiel, indem wir gleich diesen Mittwoch bei Almack’s auftauchen.“
Cassandra machte ein verblüfftes Gesicht. „Bei Almack’s?“
Er lächelte. „Richtig. Im Tempel der beau monde, dem wich tigsten und exklusivsten Tanzsaal in London.“
„Wir werden niemals Vouchers erhalten, und damit ist uns der Eintritt verwehrt. Sie wissen selbst, dass die Patronessen wie Feuer speiende Drachen darauf achten, dass kein Unbefugter einen Fuß in ihre heiligen Hallen setzt.“
„Das tun sie, richtig. Es liegt ganz bei den besagten Damen, Leute einzuladen oder abzuweisen. Das ist alles andere als wünschenswert für uns. Aber auch aus diesem Grund ist meine Großmutter nach London gekommen. Sie ist gut bekannt mit einer der Patronessen und wird sich einen Freundschaftsdienst von der Dame erbitten.“
„Aus welchem Grund muss es Almack’s sein? Das Etablissement ist ein Heiratsmarkt. Da also nur Debütantinnen zur Schau gestellt werden, haben Emma und ich dort nichts zu suchen. Emma ist bereits verlobt, und ich habe nicht die Absicht, mir einen Ehemann zu suchen.“
„Das weiß niemand.“
Cassandra verschlug es die Sprache. Sie wusste, was er ihr abverlangen wollte, und sie würde auf gar keinen Fall darauf eingehen. „Hören Sie auf, William. Ich habe Ihnen bereits in aller Ausführlichkeit dargelegt, was ich von der Ehe halte. Ich bin keine Debütantin und möchte auch keine werden.“
„Nicht einmal für einen Abend – um Ihrer Schwester zur Seite zu stehen, damit der ton sie wieder in seinen Reihen aufnimmt?“, fragte er in betörend schmeichelndem Ton.
„Auf meine Kosten.“
„Würde nicht jeder tun, was in seiner Macht steht, um seine Schwester vor lebenslanger Ächtung zu bewahren?“
„Denken Sie etwa, ich wüsste das nicht?“, fuhr sie auf. „Wie könnte ich vergessen, welchen Zweck wir mit dieser obendrein auch noch kostspieligen Charade verfolgen? Seit Emma mit Edward durchgebrannt ist, geht mir nichts ande res mehr durch den Kopf als die Frage, wie sie ihr Ansehen bei den Mitgliedern des ton zurückgewinnen kann, damit man sie nicht länger auslacht, beschimpft und brüskiert. Aber was Sie von mir verlangen, ist, dass ich mich dem ton unterwerfe, obwohl ich mir nichts sehnlicher wünsche, als mich von der feinen Gesellschaft zu distanzieren.“
„Ich weiß, und es tut mir leid. Mir ist auch nicht entgangen, wie viel
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