Suesse Hoelle
Washington hatte es einige Fälle von Kidnapping gegeben, ein Kind war tot aufgefunden worden, zwei andere wurden noch vermisst Der örtliche Sheriff, der bereits mit Marlie zusammengearbeitet hatte, als er noch in einer anderen Stadt tätig war, hatte sie zu Hilfe geholt, um die Kinder wiederzufinden. Kurz bevor sie ankam, verschwand ein weiteres Kind. Am gleichen Tag war ein großer Artikel über sie in der Zeitung erschienen.
In dieser Nacht hatte Arno Gleen Marlie aus ihrem Hotelzimmer entführt und sie an den Ort gebracht, an dem er auch das zum Schluss vermisste Kind versteckt hielt, einen fünfjährigen Jungen. Man hatte ihn allerdings gesehen, und der Sheriff war alarmiert worden. Es war eine kleine Stadt, in der man Gleen identifizierte. Doch der kleine Junge war bereits tot, als man ihn fand, und auch wenn man Marlies Leben noch hatte retten können, so war sie doch fürchterlich zugerichtet.
Ihr Zustand wurde im nächsten Artikel als >ernst< beschrieben. Danach gab es keine Veröffentlichungen mehr. Dane warf einen Blick auf das Datum. Es war über sechs Jahre her. Seit sechs Jahren war Marlie Keen aus der Öffentlichkeit verschwunden. Warum war sie nach Florida gezogen? Sobald ihm dieser Gedanke kam, rief er sich die Landkarte ins Gedächtnis. Florida war so weit von Washington weg, wie es nur ging, ohne das Land verlassen zu müssen. Doch warum war sie nach sechs Jahren der Anonymität in das Büro der Polizei marschiert und hatte ihnen von dem Mord an Nadine Vinick erzählt?
»Das kann nicht leicht gewesen sein«, murmelte Trammell, dessen Gedanken wohl in die gleiche Richtung gingen. »Sich nach all dem, was damals passiert ist, wieder in diese Schrecken zu begeben.«
Dane fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Ein Teil von ihm war in freudiger Stimmung, weil auch die letzten Zweifel beseitigt waren. Es gab eine Erklärung für ihre Wahrnehmungsgabe. Auch wenn er es noch immer nicht recht glauben mochte, so waren doch wenigstens seine Zweifel entkräftet. Es bestand keine Notwendigkeit mehr, sich von ihr fernzuhalten, er konnte ihre Nähe suchen, wie sein Körper es vom ersten Augenblick an gewollt hatte. Doch ein anderer Teil von ihm weigerte sich eigenartigerweise zu akzeptieren, was er gelesen hatte. Einerseits war da diese Unwahrscheinlichkeit, die jemandem, der sich auf Realität und Fakten verließ, gründlich gegen die Natur ging. Ein anderer Grund hatte mit Bestürzung zu tun. Shit, wenn das alles stimmte! Er wollte nicht, dass jemand seine Gedanken lesen konnte, obwohl er nach einem Augenblick des Überlegens zugeben musste, dass es ganz angenehm war, wenn eine Frau wusste, was er fühlte - dann brauchte er nicht darüber zu reden.
Doch es war mehr als nur das. Er war ein Cop. Er hatte Dinge gesehen, gehört, getan, die nicht als bekanntes Wissen zwischen ihm und seiner Frau stehen sollten. Es waren Dinge, die ein anderer Cop verstehen würde. Der Job zeichnete sie, sonderte sie für alle Zeiten von anderen Menschen ab. Einige Fälle würde er mit ins Grab nehmen, sie würden sein Gedächtnis nie verlassen. Und einige Gesichter der Opfer würde er für immer sehen.
Niemand sollte in diesen Teil seiner Persönlichkeit eindringen. Nicht einmal Marlie. Seine Alpträume gehörten ihm ganz allein.
Er nahm die einzelnen Blätter. »Einiges davon werde ich nachprüfen«, meinte er. »Ich werde mit diesem Dr. Ewell sprechen, um zu erfahren, was in den letzten sechs Jahren geschehen ist.«
Trammell blickte ein wenig eigenartig, es war eine gewisse Belustigung, die sich mit Mitleid paarte. Dane warf ihm einen bösen Blick zu. Einen Partner zu haben war manchmal genauso, als lebe man bereits mit jemandem zusammen, der übersinnliche Fähigkeiten besaß, weil man den anderen so gut kannte. Und der Mistkerl Trammell war sadistisch genug, es zu genießen, wie Dane sich wegen dieser Dame wand.
»Was ist da so verdammt komisch?« brummte er.
Trammell zuckte mit den Schultern. »Es sieht ganz so aus, als würden wir noch öfter mit ihr zusammenarbeiten, und ich habe mir nur vorgestellt, wie du es anstellen willst, dich bei ihr einzuschmeicheln, nach eurem ruppigen Auftakt. Oder vielmehr, wie ihr ohne einen gescheiten Anfang weitermachen wollt.«
Dane ging zu seinem Schreibtisch zurück. Er verzog den Mund, als er daran dachte, wie er sich damals entschlossen hatte, zur Kriminalpolizei zu gehen. Minutiöse Recherchen hatte er sich vorgestellt, unscheinbare Bruchstücke zu Beweisen zusammenzufügen wie
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