Süße Rache: Roman (German Edition)
zu einem Nieseln abgeflaut, wodurch er weiterhin den tarnenden Regenmantel tragen konnte, dafür musste er jetzt darauf achten, keine Tropfen zu hinterlassen, die ihr auffallen könnten.
Normalerweise betrat sie ihre Wohnung durch die Vordertür; dort brannte die Verandalampe, außerdem war sie dort vor dem Regen geschützt. Die Hintertür an der Küche hatte kein Vordach und war über zwei nackte, abbröckelnde Betonstufen zu erreichen. Die Stufen waren nass, also brauchte er sich keine Gedanken zu machen, dass er Tropfen hinterlassen könnte. Vor der Holztür zur Küche war eine stabilere Unwettertür angebracht, die ebenfalls abgeschlossen war. Fünf Sekunden später hatte er sie geöffnet. Die Innentür war mit einem schlichten Türknaufschloss verriegelt, das keinen Zehnjährigen aufgehalten hätte und das er noch schneller geknackt hatte als das Schloss der Unwettertür. Er trat in die Küche, zog den nassen Regenmantel aus, legte ihn in die kleine Waschnische abseits der Küche und wischte dann das Wasser auf, das auf den Boden getröpfelt war.
In der kleinen Doppelhaushälfte gab es kaum ein Versteck für ihn. Sie sollte ihn nicht sehen, wenn sie ins Haus trat, sonst würde sie über die Veranda davonrennen. Sie sollte erst ins Haus kommen und alle Türen verriegeln, damit sie nicht so schnell fliehen konnte und er Zeit genug hatte, sie festzuhalten und mit ihr zu reden.
Logistisch betrachtet war ihre Wohnung ein Albtraum. Durch die Vordertür kam man direkt in das kleine Wohnzimmer, wo sie ihre wenigen Möbel an die Wände gerückt hatte, um etwas Platz zu schaffen. Die eine Lampe, die
sie brennen ließ, reichte aus, um den ganzen Raum zu erhellen. Dahinter folgte ein winziger Flur, wenn man ihn denn so nennen wollte; er war gerade so lang, dass ein Wandschrank darin Platz hatte, wahrscheinlich war er vom Wohnzimmer abgeknapst worden, als man das Haus zu einem Doppelhaus umgebaut hatte. Von diesem Flur gingen keine weiteren Türen ab; er endete in der Küche mit Essecke, die noch beengter wirkte, weil hier Platz für die Waschnische abgezweigt worden war. Danach folgten Schlafzimmer und Bad, die beide gerade groß genug für das nötigste Mobiliar waren.
Sie würde Todesangst ausstehen, wenigstens anfangs; auch wenn er das schrecklich fand, könnte er es nicht verhindern. Sie musste ihn anhören.
Der beste Platz, auf sie zu warten, war an der Küchenwand. Hier würde sie direkt an ihm vorbeigehen, allerdings gab es keine Küchentür, hinter der er sich verbergen konnte, auch keinen Geschirrschrank oder etwas ähnliches. Günstig für ihn war, dass sie normalerweise in der Küche kein Licht brennen ließ; meist ging sie erst ins Schlafzimmer und schaltete dort das Licht ein, bevor sie ins Wohnzimmer zurückkehrte und dort die Lampe ausschaltete. Falls sie ihrem üblichen Weg folgte, würde er warten, bis sie im Schlafzimmer war, und ihr dann den Rückweg in die Küche versperren.
Vieles konnte schiefgehen. Falls er sie auf dem Rastplatz verschreckt hatte, würde sie vielleicht zuerst das Licht in der Küche anmachen. Er musste auf alles vorbereitet sein und auf jede unerwartete Wendung reagieren. Sie würde sich wehren. Drea war eine Überlebenskünstlerin. Sie gab nicht auf. Sie würde sich wehren, bis sie keine Kraft mehr hatte. Er müsste sie bändigen, ohne ihr dabei wehzutun, bis sie entweder völlig entkräftet
war oder er sie überzeugen konnte, dass sie ihn anhören musste. Er hatte sich noch nie in seinem ganzen Leben bei einem Kampf zurückhalten müssen; die Vorstellung war ihm vollkommen fremd. Er kämpfte, um zu gewinnen. Trotzdem durfte er bei Drea keine Treffer landen. Sie hingegen würde alles geben, deshalb war er darauf gefasst, dass er einiges einstecken musste, bis er sie gebändigt hatte. Natürlich fand er es schrecklich, dass sie solche Angst vor ihm hatte, aber tief im Herzen spürte er noch etwas: Vorfreude.
Wenn es das Leben anders gewollt hätte, hätte er sie in Frieden gelassen. Aber das hatte es nicht, und endlich – endlich – würde er sie wieder berühren, in seinen Armen halten, und sei es nur für einen kurzen Augenblick. Er schloss die Augen unter der glühend heißen Erinnerung an die weichen Innenmuskeln, die sich um ihn geschmiegt hatten, als sie gekommen war. Vier Stunden lang hatte sie ihm gehört, hatte sie die schlanken Arme um seinen Hals verschränkt und die Schenkel um seine Hüften geschlungen.
Nur einen Augenblick lang könnte er sie wieder
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