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Süße Teilchen: Roman (German Edition)

Süße Teilchen: Roman (German Edition)

Titel: Süße Teilchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Newman
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ist noch immer geschwollen und pocht. Grant möchte, dass ich mich ausruhe und das Knie mit einem Eisbeutel kühle. Doch das würde bedeuten, dass ich mich beim Völkerball nicht an Sephonie rächen kann. Ich maule. Grant lässt nicht mit sich reden.
    Ich setze mich auf die Terrasse, höre, wie die anderen auf dem Korbballfeld ächzen und stöhnen, und denke: Selbst, wenn ich zu einem Curry-Gericht nie mehr ein Baguette essen darf, ich werde das hinnehmen, denn an einem Ort wie diesem will ich nie mehr enden. Das ist mir das Baguette nicht wert. Dazu ist es hier zu langweilig und zu anstrengend. Ich muss ein Gleichgewicht finden, eine Mitte, und lernen, so zu leben.
    Das Eis in dem Beutel schmilzt. Ich gehe in die Küche, um frische Eiswürfel aus dem Gefrierfach zu holen. Aus naheliegenden Gründen ist die Küche hier sonst für jeden aus unserer Gruppe tabu. Es gibt für alle Fälle sogar ein Hängeschloss an der Tür. Aber da ich ein Notfall bin, hat Grant mir den Schlüssel gegeben.
    Ich öffne das Schloss. Klick. Ein wundervolles Geräusch.
    O Mann, ich glaube, ich träume. Auf der Kücheninsel liegen Chips-Tüten, Kit-Kat-Riegel, frisches knuspriges Brot und Tomaten. Ich öffne die Kühlschranktür und entdecke einen großen Topf Hühnerauflauf, daneben Käse, Butter, Sahne, Parmaschinken, Parmesan und darunter reihenweise Bierflaschen.
    Soll ich? Wenigstens einen Happen könnte ich essen, und kein Mensch käme mir auf die Schliche. Und wenn doch? Was dann? Würde sich jemand auf mich setzen, um zu versuchen, meinen Magen auszupumpen? Ich könnte mir ein Schinkensandwich machen und ein schönes kaltes Bier dazu trinken, denn nichts möchte ich jetzt lieber.
    Seufzend nehme ich die Schale mit den Eiswürfeln heraus, mache mir eine neue Packung, binde sie wieder um mein Knie und kehre zur Terrasse zurück.
    Nach dem Mittagessen, an das ich mich nicht mehr erinnern will, sind »Extrem-Runden« angesagt. Hatte ich schon erwähnt, dass ich unsportlich bin? Und dass ich Turnhallen hasse? Genau wie Runden, bei denen man zig verschiedene Geräte benutzen muss? Extrem schwierig finde ich so etwas, extrem langweilig und redundant.
    Aber was habe ich damals zu James gesagt? Entweder lässt du dich ein oder nicht . Mit zusammengebissenen Zähnen mache ich mich nacheinander an die zwanzig Gerätestationen, Runde um Runde, bis ich schweißgebadet bin, meine Muskeln brennen, und ich mich kaum noch bewegen kann.
    »Wie viele Bauchpressen hast du geschafft?«, fragt mich Go-Go.
    »Hab nicht mitgezählt.«
    Go-Go dreht sich zu Grant um. »Wie viele habe ich geschafft?«
    »Achtundvierzig, gute Leistung«, lobt Grant.
    »Okay, meine Damen, nicht rumsitzen«, ruft Big Tony. »Wir machen noch eine Runde.«
    Ich rappele mich auf. Ich kann kaum noch laufen, aber ich mache mit. Bankdrücken, halbe Liegestütze, Bretter, Trizeps-Kickbacks. »Los, Mädels!«, brüllt Big Tony. »Ran an den Feind!« Nur noch zwei Geräte, tröste ich mich, dann ist es geschafft. Das Schlimmste ist eine Übung, die sich »Russischer Twist im Liegen« nennt. Kommt mir irgendwie bekannt vor.
    Nach den Extrem-Runden pfeifen wir alle auf dem letzten Loch und lassen uns mit zittrigen Gliedern draußen auf den Rasen fallen. Go-Go will von Grant wissen, wie viele Bauchpressen sie bei der letzten Runde geschafft hat. Grant sagt: »Neunundvierzig.« Go-Go reckt die Faust und ruft: »Ja!«
    Grant wendet sich an mich. »Das waren die besten Trizeps-Kickbacks, die ich jemals bei einer Frau gesehen habe.« Ich erröte vor Stolz und finde, das ist das Netteste, was man mir in meinem ganzen Leben gesagt hat. Go-Go sieht mich böse von der Seite an.
    Wir stehen auf. Hildegunn zeigt auf mein Knie. »Was ist denn mit dir passiert?«
    Mein Knie blutet, sogar heftig. Anscheinend habe ich es mir bei den halben Liegestützen aufgeschürft. Es muss schon seit einer Weile bluten, aber ich habe es nicht einmal bemerkt.
    »Das haben wir gleich.« Grant führt mich zu einem Liegestuhl, hebt mein Bein an und träufelt eine durchsichtige Flüssigkeit auf mein Knie. Sie brennt wie Feuer, riecht aber köstlich.
    Ich beuge mich vor und schnuppere. »Ist das Alkohol?« Gierig atme ich den Geruch ein.
    Grant lacht.
    »Darf ich mein Knie ablecken?«, frage ich. »Ohne dass du mich bei Big Tony verpetzt?«
    Am Abend weine ich erstmals seit Wochen wieder. Nicht, weil James mir fehlt, nicht einmal, weil ich meine Freunde und meine Familie vermisse. Ich weine, weil ich kein Brot bekommen habe.

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