Süße Teilchen: Roman (German Edition)
Pudding und Creme hergestellt und noch drei andere, die ich kosten soll: Himbeere, Bourbon-Vanille und Buttertoffee. Außerdem noch ein Flammeri altenglischer Art, der auf Hafer basiert. Hafer ist billig, die Gewinnspanne wird beträchtlich sein.
»Du siehst umwerfend aus«, sagt Will und gibt mir einen Begrüßungskuss.
Ich trage ein rotes Sommerkleid mit Trägern und Sandaletten mit Plateausohlen. Für alle Fälle habe ich mich sorgfältig geschminkt. »Vielleicht treffe ich mich hier später mit einem Freund.«
»Oh, ein Freund«, sagt Will. »Schau mal, was ich für dich habe.« Wenn ich Appletree besuche, holt Will mich jedesmal vom Bahnhof ab und hat für die Zehnminutenfahrt zur Fabrik etwas zum Naschen dabei. Wegen des warmen Wetters hat er eine Mini-Tiefkühlbox im Wagen, in der sich eine Mischung aus Rhabarbereiscreme und Pudding befindet. »Probier mal«, fordert er mich auf.
Trotz des Debakels mit James weigere ich mich, immerzu an mein Gewicht zu denken, aber als ich den ersten Löffel Eiscreme in den Mund führe, schießt mir das Wort »Fettarsch« durch den Sinn.
»Köstlich«, sage ich. »Schaffen wir den für weniger als achtzig Pence pro fünfhundert Milliliter?«
»Für dich tue ich alles.«
Ich ertappe mich dabei, auf seinen Mund zu schauen und mich zu fragen, warum mir sein wunderschönes Lächeln bisher nie aufgefallen ist.
Ehe wir die Produktion betreten, müssen wir uns waschen und umziehen. Die Hände werden geschrubbt, als wären wir Chirurgen kurz vor der OP; ich kann sogar wie sie den Wasserhahn mit dem Ellbogen ausmachen. Dann schlüpfen wir in schwere dunkle Schuhe mit Gummisohle, legen eine wadenlange weiße Schürze um, streifen ein großes blaues Haarnetz aus Papier über und einen Schutz für die Ohren. Wir sehen scheußlich aus. Dass Kollegen hier jemals Sex miteinander haben, halte ich für ausgeschlossen.
Zuletzt cremen wir die Hände mit einem antibakteriellen Gel ein, dann sind wir bereit. Will öffnet die Doppeltür. In der ersten Halle, die wir durchqueren, werden Trockenobst und kandierte Kirschen hergestellt, die einen weihnachtlichen Duft verströmen, aber ich habe schon Schlimmeres gerochen. Die nächste Halle, groß wie ein Fußballfeld, ist mir die Liebste, denn hier werden die Biskuitkuchen gebacken. Es ist, als trete man aus einem Flugzeug in warme Luft, die nach Vanille und Zucker riecht. Am Fließband sitzen Leute, die bunte Schoko-Pastillen in den Belag von Geburtstagstorten drücken oder auf den Springer warten, der einen perfekten Klecks Buttercreme auf die Kuchen spritzt, die sie mit einem Spachtel verteilen.
In dieser Halle könnte ich stundenlang bleiben, aber wir betreten schon die nächste, in der Desserts hergestellt werden. Auf einem Tisch in einer Ecke stehen meine Probepuddings aufgereiht. Außer ihnen interessiert mich allerdings auch die Verpackung, denn ich möchte, dass sie später in den Regalen auffällt. Bisher haben Will und ich über drei Möglichkeiten gesprochen: weiche kleine Röhren, Halbkugeln oder spitz zulaufende Hütchen. Ich möchte, dass die Verpackung witzig wirkt. Nur kindisch darf sie nicht aussehen, dazu sind mir meine Kreationen zu elegant.
»Der Plastikdeckel ist bei allen dreien noch ein Problem«, sagt Will. Ich schaue zu, wie ein langer Metallarm einen Teelöffel gemahlene Mandeln in ein durchsichtiges hellrosa Töpfchen gibt. Ein zweiter kippt eine Tasse Himbeerpudding darüber aus, ein dritter spritzt eine dünne Schicht madegassische Vanillecreme darauf, und der letzte drückt einen Plastikdeckel auf. Das Töpfchen wird zum Ende des Fließbands befördert und hüpft anmutig auf ein Tablett. Kann es etwas Schöneres geben als eine Dessert-und Kuchenfabrik?
Will lädt mich zum Lunch in die Kantine ein. Danach gehen wir in sein Büro und sprechen über die Kosten, die Makrobiotik und die Haltbarkeitstests. Es dauert bis zehn nach fünf, also länger als geplant. Seit halb vier habe ich alle zehn Minuten auf die Uhr geschielt und mich jedes Mal gefragt, ob James schon draußen steht und wenn ja, wie lange er warten wird. Inzwischen ist meine Kehle so trocken, dass ich kaum noch schlucken kann. Plötzlich halte ich es nicht mehr aus und bitte Will, mich kurz zu entschuldigen. Wie der Blitz bin ich auf der Toilette, wische mit zittriger Hand die leicht verschmierte Wimperntusche unter meinen Augen ab, pudere meine glänzende Nase und gehe mit klopfendem Herzen nach draußen. James lehnt an seinem Auto, die Arme vor der
Weitere Kostenlose Bücher