Süße Teilchen: Roman (German Edition)
ich mich so, wie ich es eigentlich richtig finde:
Knie und Fußgelenke: Habe ich von meinem Vater geerbt. Ebenso wie die Fähigkeit, das Leben mit Humor zu nehmen, Menschen zu vertrauen, die nicht vertrauenswürdig sind, und die Welt zu lieben.
Taille: Kommt von der Seite meiner Mutter. Ebenso wie die Fähigkeit, vorschnell zu urteilen, die Angst, verlassen zu werden, und Anfälle von grenzenloser Großzügigkeit.
Hände und Füße: von meiner Großmutter väterlicherseits geerbt, zusammen mit der Leidenschaft fürs Kochen, dem Kampfgeist und der totalen Unfähigkeit, Langeweile auszuhalten.
Hüfte: verdanke ich meiner Großmutter mütterlicherseits, ebenso wie die Herzenswärme, die bei meiner Großmutter dazu führte, dass ihre sieben Enkelkinder täglich bei ihr anriefen, ohne dass man sie bitten musste.
Zellulitis: Habe ich mir selbst zu verdanken. Essen und Vergnügen waren mir schon immer lieber als Sport. Und jetzt haben wir die Bescherung.
Aber unterm Strich bin ich mit mir zufrieden.
James nimmt beim sechsten Klingeln ab. Vielleicht hat er absichtlich gewartet, um sich für mein Schweigen zu revanchieren, hat es dann aber doch nicht mehr ausgehalten, weil er wissen will, was ich sagen werde. Ich weiß genau, was ich sagen werde, schließlich habe ich es den ganzen Morgen lang geprobt.
»Hallo«, meldet er sich.
»Hi. Wie geht’s dir?«
»Gut. Und dir?«
»Auch gut.« Er soll nicht wissen, wie unglücklich ich bin, sondern denken, seine Worte hätten mich kaltgelassen. Aber vielleicht interessiert ihn ja weder das eine noch das andere. »Warum hast du versucht, mich zu erreichen?«, frage ich.
Stille. Dann sagt er: »Ich glaube, ich habe einen Fehler gemacht.«
Mein Herz macht einen Satz.
»Ja?«, frage ich.
»Ich bin verwirrt«, sagt er.
»Ich nicht«, entgegne ich. »Ich bin dreiunddreißig und weiß, wer ich bin und was ich will. In deinem Alter solltest du das auch wissen. Hast du nicht gesagt, du suchst eine feste Beziehung?«
»Doch, aber möglicherweise nicht mit dir.«
»Herrgott, James, was soll denn der Scheiß? In den letzten drei Monaten hast du regelmäßig mit mir geschlafen. Und dann sagst du plötzlich, dass ich dir gar nicht gefalle?«
»Du gefällst mir schon, ich weiß nur nicht, ob es für eine Langzeitbeziehung reicht.«
Ich hole tief Luft. »Jetzt hör mir mal zu. Du bist fünfundvierzig und suchst angeblich eine Ehefrau. Ich weiß zwar immer noch nicht, wer dein ›Typ‹ ist, aber mit dem hat es offenbar noch nicht geklappt. Es gibt Männer, die irgendwann in ihrem Leben erkennen, worum es bei einer Beziehung wirklich geht. In der Liebe dreht es sich nicht nur um heißen Sex in einem gläsernen Aufzug. Es geht darum, einen Menschen zu finden, der einem gefällt, den man gern hat und achtet und bei dem man sich nicht verbiegen muss. Und wenn man so jemanden findet, hat man sehr, sehr viel Glück gehabt. Du bist doch kein Vollidiot, wenn du das wärst, hätte ich mich gar nicht mehr gemeldet. Ich glaube, dass du klug genug bist, um das selbst bald zu erkennen.«
Endloses Schweigen am anderen Ende.
Schließlich fragt er: »Können wir uns morgen sehen?«
»Nein, morgen bin ich in einer Fabrik.«
»Dann hole ich dich dort ab.«
»Das geht nicht, die Fabrik ist in Sheffield.
»Wann bist du da fertig?«
»Unwichtig.«
»Sag mir die Adresse.«
»Nein.«
»Dann rufe ich deinen Chef an und biete ihm einen Tausender dafür, dass er sie mir gibt.«
»Das kannst du halten, wie du willst.«
»Nein, im Ernst, ich möchte dich sehen.«
»Warum?«
»Darum.«
»Warum darum?«
»Darum.«
»Ich bin da gegen siebzehn Uhr fertig. Wir sehen uns dann irgendwann.«
»Gib mir die Adresse.«
Ich lege auf. James kriegt immer, was er will. Für die Adresse muss er sich halt ein bisschen Mühe geben.
Das Beste an meinem Job sind die Meetings der Phase vier.
Das Zweitbeste sind die Fabrikbesuche.
Appletree ist mein Lieblingslieferant, und Will Slater ein totaler Schatz, der netteste und nachsichtigste Mann der Welt. Vor einigen Jahren lief ihm seine Frau mit ihrem Cousin zweiten Grades davon, doch das Einzige, was Will dazu sagte, war: »Dinge geschehen nie ohne Grund.« Ich an seiner Stelle hätte gesagt: »Meine Frau ist eine verkorkste Schlampe, die mit ihrem Cousin ins Bett geht.«
Ich bin auf dem Weg zu Appletree , um die nächste Entwicklungsstufe der Cremepuddings zu testen. So lautet Devrons Anweisung. Inzwischen hat Appletree den Dreilagenpudding mit Mandeln,
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