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Süße Teilchen: Roman (German Edition)

Süße Teilchen: Roman (German Edition)

Titel: Süße Teilchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Newman
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Miene, die ich gewöhnlich »extrem französisch« nenne. Dann zieht er ab und holt unsere Mäntel. Ich klatsche James ab und sage, ich selbst hätte es nicht besser machen können.
    Als wir das Restaurant verlassen, regnet es in Strömen. Da wir uns an der Kreuzung von Shaftesbury Avenue und Tottenham Court Road befinden, können wir es vergessen, ein Taxi zu bekommen, und steigen schließlich in einen Nachtbus. Es gibt nur noch einen freien Sitzplatz an der Tür. Auf dem Nachbarplatz sitzt eine grauhaarige Frau. Sie hat die Augen geschlossen und wiegt sich vor und zurück, als hätte sie Schmerzen.
    James setzt sich und zieht mich auf seinen Schoß. Flüsternd zählen wir all die Dinge auf, die wir später in seiner Wohnung essen werden: Fischstäbchen auf Weißbrot mit Ketchup, den Rest kaltes Roastbeef mit Delikatessgürkchen, gebutterte Toastscheiben mit Marmite, und Kekse, um die Zeit zu überbrücken, bis der Toast fertig ist.
    Hinter uns sitzt ein blasser junger Typ mit übergroßem Kapuzenshirt. Aus seinen winzigen Kopfhörern dringen blecherne Techno-Rhythmen. Er nickt zur Musik und sieht uns provozierend an, während er mit einem Strohhalm geräuschvoll ein Getränk aus einem großen Plastikbecher saugt. Die Musik steigert sich zu einem Kreischen. »Ich fick dich, bespring dich, mach es von beiden Seiten«, höre ich. Das muss seine Lieblingsstelle sein, denn er dreht die Musik noch einen Zacken lauter. Die alte Dame neben uns schüttelt verzweifelt den Kopf.
    James dreht sich um und sieht den Typen drohend an. Ich finde seinen Gesichtsausdruck absolut überzeugend, aber unser Hintermann schnalzt nur mit der Zunge. Ein kleiner Speicheltropfen landet auf James’ Kinn. »Is was, Alter?«, fragt der Typ.
    Schlagartig werde ich nüchtern und bitte James flüsternd, aufzustehen und mit mir an der Tür zu warten.
    James sagt: »Nein, ich lass mich doch nicht bespucken.«
    Himmel, denke ich, muss er jetzt unbedingt den Helden spielen?
    »Bitte stellen Sie die Musik leiser«, beginnt James. »Hier sind schließlich noch andere Menschen.« Die Leute hinter uns sind verstummt und starren uns an. Die alte Dame schlägt die Augen auf. Wie zum Dank tätschelt sie James’ Arm.
    »Bitte, James«, wispere ich. »Vielleicht hat er ein Messer.« Ohne den Typ anzusehen, stehe ich auf und versuche, James mit mir zu ziehen.
    »Scheiß-Fotze«, ruft der Junge laut. »Du fette, weiße Fotze.« Er zieht den Strohhalm aus seinem Getränk und bespritzt James mit Milch, die auf seiner Schulter landet.
    Ich bin sicher, der Junge ist total zugedröhnt. Wahrscheinlich hat er auch ein Messer. Denn sonst würde er sich niemals mit einem Mann anlegen, der größer und kräftiger ist als er.
    Die anderen Businsassen sind wie versteinert und denken vermutlich, hier wird gleich einer aufgeschlitzt.
    Inzwischen sind wir am Ende der Tottenham Court Road angelangt. Der Bus hält an, die Türen öffnen sich. Der Busfahrer tut, als wäre nichts.
    Zwei junge Frauen hasten aus dem Bus. Die anderen bleiben, glotzen und warten auf die Show, als hätten sie Eintrittsgeld gezahlt.
    »Komm, James«, dränge ich. »Wir steigen hier in den Hundertachtundsechziger.« Ich möchte ja seine Mannesehre nicht verletzen, aber ich will nur noch weg.
    James sieht mich an. Sein Blick sagt, mach dir keine Sorgen. Dann wendet er sich wieder zu dem Jungen um und macht Anstalten aufzustehen.
    »Los, alter Sack«, sagt unser Hintermann. »Mach, was die dumme Fotze sagt. Hau ab, Schlappschwanz.«
    »James, bitte.« Ich zerre an James’ Arm und versuche, nicht noch panischer zu werden, weil der Mann, den ich liebe, gleich erstochen wird. Und dann wird am nächsten Tag mein tränenüberströmtes Gesicht in der Zeitung erscheinen, über einem Bericht, in dem Ken Livingstone mit dem Satz zitiert wird, wäre er noch Bürgermeister, wäre dergleichen nie passiert.
    Unser Publikum lehnt sich in den Sitzen zurück. Ich nehme an, im Geist sind sie schon einen Schritt weiter und wollen ihre Ausgehkleidung vor der zu erwartenden Blutfontäne schützen.
    James richtet sich zu voller Größe auf. Der Junge stemmt sich ebenfalls hoch. James holt aus, aber ehe er zuschlagen kann, kippt der Typ ihm den Rest seines Milch-Shakes ins Gesicht und ergreift die Flucht. James versucht, ihn am Shirt festzuhalten, aber da ist er schon an der Tür und springt aus dem Bus. Ein dicker Tropfen Milch-Shake zerfließt auf James’ Kinn und tropft auf seinen Mantel.
    Unser Publikum stößt einen

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