Süße Teilchen: Roman (German Edition)
1300 vor Christus.
Ihr Kopf sieht aus wie eine Brezel, und der Säugling in ihren Armen macht auch einen merkwürdigen Eindruck.
»Ich glaube, die würde mich kaltlassen«, sagt James.
»Warum? Nur weil sie vier Augen hat?«
»Nein, die vier Augen sind in Ordnung, sie ist mir nur zu dick. Wahrscheinlich sollte sie weniger Brotfladen essen.«
»Blödmann, sie ist wunderschön, na ja, der Kopf vielleicht nicht so. Aber dafür steht sie für neues Leben, siehst du nicht ihr breites gebärfreudiges Becken?«
»Aber ein paar Runden auf der Tretmühle würden ihr trotzdem nicht schaden.«
Sehr witzig. Säße ich nicht in der Todeszelle, würde ich vielleicht sogar lachen.
Aber da sitze ich nun einmal.
Und deshalb lache ich nicht.
Zehn Minuten nachdem James mich zu Hause abgesetzt hat, schickt er mir eine SMS: »Wie immer habe ich deine Gesellschaft genossen.«
James’ Komplimente sind wie Oliven als Ersatz für ein Steak. Ich stelle mir die besten, prallsten Oliven vor, gefüllt mit Orangenfleisch und Oregano, aber unterm Strich sind auch die nur Oliven. Und manchmal sind James’ Komplimente wie Steine, die mir im Hals stecken bleiben. Und ich spreche jetzt nicht von Olivensteinen, sondern von größeren, sagen wir mal, so groß wie gezuckerte Mandeln. Zu diesen Komplimenten gehören Begriffe wie »ein guter Mensch«, »ein kluges Mädchen« und die »Gesellschaft«, die er »genießt«. Diese Gesellschaft will ich nicht sein, ich bin schließlich seine Freundin und keine Hostess.
Als ich in dieser Nacht schlafen gehe, sitzt mir der Stein immer noch im Hals.
Devron und ich sitzen zusammen, um über die neuen Ideen zu sprechen, die ich aus New York mitgebracht habe.
Das hatten wir eigentlich zwei Tage nach meiner Rückkehr vor, also am Morgen nach James’ Anfall.
Zum Glück hatte Devron dieses Treffen abgesagt, weil er an einem einwöchigen Weiterbildungskurs in Ashridge teilnehmen wollte. Das Thema hieß »Der Weg zur perfekten Führungskraft«, die Woche kostete Fletchers knapp zehntausend Pfund. Danach brauchte Devron Erholung und flog mit Mandy für zwei Wochen auf die Malediven. Inzwischen ist Juni.
»Wie war der Urlaub?«, erkundige ich mich.
»Der absolute Hammer. Mandy und ich waren restlos begeistert. Das Hotel war phantastisch, es gab jeden Abend Steak, und ich hatte endlich Zeit, den letzten Dan Brown zu lesen.«
»Sie haben eine sehr schöne Bräune bekommen.« Nur die Augenpartie ist ein wenig sonderbar, als wäre er am letzten Tag mit verrutschter Sonnenbrille am Strand eingeschlafen.
»Wir hatten ja auch jeden Tag knapp dreißig Grad. Über Silvester fliegen wir wieder hin. Mandy hat für uns schon einen ganzen Monat gebucht. Wie war denn Ihr Trip nach New York?«
»Sehr gut.« Ich reiche ihm meinen Bericht, bei dem ich mich kurzgefasst habe, aber er enthält die wesentlichen Markt- und Produktinformationen, einschließlich der möglichen Gewinnspannen und dem Plan für die Markteinführungsphasen.
»Nein, bitte nicht. Mich interessiert nur das Gesamtbild. Bitte kurz und knackig.«
Arschloch.
»Gern. Hier sind drei Produkte, die wir schon zum Herbst bringen könnten.«
»Jetzt mal langsam. Ein neues Produkt reicht durchaus.«
»Schon klar, aber ich habe versucht, weiter zu denken. Nach dem Herbst kommt Weihnachten und da –«
»Gut, gut.« Devron wirkt ungeduldig.
»Wie wäre es mit –«
»Sophie, bitte, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit. Mandy ist beim Arzt, um drei muss ich sie in der Harley Street abholen. Könnten wir uns vielleicht auf zehn Minuten beschränken?«
Zehn Minuten? Wir hatten eine ganze Stunde eingeplant. Aber bitte, je schneller ich ihn wieder loswerde, desto besser.
»Okay, Nummer eins wären Cannoli, Nummer zwei Gefrorenes, Nummer drei Kompost-Kekse. Cannoli kommen ursprünglich aus Sizilien –«
»Das weiß ich selbst, Mandy macht sie ja für mich. Große Nudeln mit Käse- und Tomatenfüllung.«
»Das dürften Cannelloni sein, die den Cannoli ähneln, also Riesennudeln mit Füllung.«
»Nein, das sind Cannoli. Mandy ist Halbitalienerin, sie kennt sich da aus.«
»Also, die Nudeln sind Cannelloni. Cannoli sind Gebäck. Aber beide haben dieselbe lateinische Wurzel, nämlich Canna, das heißt Rohr.«
Devron sieht aus, als hätte er in seinem ganzen Leben noch nie solchen Humbug gehört.
»Wie dem auch sei, Cannoli sind ganz wundervolle kleine Gebäckstücke, mit Ricotta und Schoko-Chips oder Pistazien. Rocco’s auf der New Yorker Bleecker Street
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