Süße Teilchen: Roman (German Edition)
auf einem Behinderten-Parkplatz ab.
»Da wären wir.«
»Hast du diesen Platz nach dir benennen lassen?«
»Nein, dann hieße er ja Platz des kaiserlichen und göttlichen James.«
»Trotzdem ist es eine hübsche, altmodische Ecke. Sie passt zu deinem Musikgeschmack.«
»Jetzt ist es aber gut«, sagt James. »Warte hier, es dauert nur zwei Minuten.«
»Du willst doch wohl nicht auf dem Behinderten-Parkplatz stehen bleiben.«
»Für zwei Minuten? Warum denn nicht?«
»Und wenn ein Polizist vorbeikommt und dir einen Strafzettel gibt?«
»Sophie, bitte, hör auf, dir ständig Sorgen zu machen.«
»Und du – du machst es dir immer zu einfach.«
»Was soll das denn heißen?«
»Nichts, beeil dich.« Am liebsten hätte ich gesagt, du machst immer, was du willst und scherst dich einen Dreck um die Folgen, und falls mal was schiefläuft, glaubst du, du kannst es mit deinem Geld wieder wettmachen. Und deshalb wirkst du auch so jung für dein Alter, denn du hast nie gelernt, was Verantwortung ist. Dein Geld schützt dich davor, erwachsen zu werden.
Gut, dass ich es nicht gesagt habe. Ich hätte mich wie eine griesgrämige Lehrerin angehört, und ehrlich wäre es auch nicht gewesen, denn insgeheim bin ich ja nur sauer, weil er sich später mit seinen Freunden trifft und mit ihnen lieber zusammen ist als mit mir. Ist es denn so wichtig, wo James parkt? Die Wahrscheinlichkeit, dass ein anderer diesen Platz in den nächsten Minuten braucht, liegt bei null Komma ein Prozent. Warum soll ich so tun, als hätte er eine gebrechliche, alte Dame erwürgt?
Nach wenigen Minuten kehrt James zurück. Unter seinem Arm steckt ein Aktenordner. Auf dem Etikett steht »Umfrage«.
»Was ist das?«, frage ich.
»Die Ergebnisse einer Recherche.«
»Darf ich mal hineinschauen?«
»Bitte.« James reicht mir den Ordner. Ich blättere durch die Seiten und stoße auf eine Zusammenfassung. Ich überfliege die Zeilen und erfahre, dass eine bestimmte weibliche Altersgruppe bereit ist, hundertzwanzig bis hundertsechzig Pfund für eine Strumpfhose aus Kaschmir und Seide zu zahlen, die Zellulitis bekämpft.
»Hundertsechzig Pfund für eine Strumpfhose? Das ist doch ein Scherz, oder?« Nicht mal die Hälfte, ach, nicht einmal ein Viertel davon würde ich je für eine Strumpfhose opfern.
»Das ist kein Scherz. Wir denken an die Frauen, die von ihren reichen Ehemännern versorgt werden.«
»James, das ist doch Wahnsinn.«
»Warum? Nur weil es in Afrika hungernde Kinder gibt?«
»Unter anderem.«
»Tut mir leid, aber der Markt für unser Angebot ist groß. Allein die BRICS-Staaten und der Mittlere Osten reichen schon aus.«
»Aber die Frauen reicher Männer aus diesen Ländern haben sich doch schon jedes Gramm Fett absaugen lassen. Wieso brauchen die noch was gegen Zellulitis?«
»Weil es immer wieder eine Jüngere und Dünnere geben könnte.«
Ich stelle mir ihre dicken, alten Männer vor.
»Ich finde, jemand, der so viel Grips hat wie du, sollte mit seinen Fähigkeiten etwas Besseres anfangen. Das Geld brauchst du doch gar nicht.«
»Darum geht es nicht. Ich möchte einfach sehen, ob mein Plan aufgeht.«
»Ich bin sicher, dass er aufgeht. Aber wäre es nicht befriedigender, etwas für andere Menschen zu tun? Du hast mal gesagt, dass du Kinder magst. Warum denkst du dir nicht ein Projekt für sie aus oder rufst eine wohltätige Stiftung ins Leben?«
»Gute Idee. Vielleicht mache ich das auch.«
Ich streichele seine Wange, und er schnurrt wie ein Kater.
»Ich mag es, wenn wir solche Dinge unternehmen«, sagt James, während wir Hand in Hand durch das Museum schlendern und uns zu den ausgestellten Stücken Geschichten ausdenken.
»Schau, da ist etwas für dich. Eine Münze mit James III., entworfen von Norbert Roettier. Und, sieh mal, der Bruder und der Sohn von Norbert hießen ebenfalls James. Was würde der liebe Norbert wohl heutzutage machen?«
»Der würde in einem Loft in Chelsea wohnen und es mit einer vollbusigen Stripperin aus Lettland krachen lassen.«
»Wohl eher mit einem Stripper namens James. Mensch, da sind ja auch noch der Heilige James und James, auch Jakobus genannt, der leider enthauptet wurde. Aber wieso steht hier, sein Vater wäre Zebedäus gewesen, hast du nicht gesagt, dein Vater heißt Victor?«
»Ja, Zebedäus Victor, aber er nennt sich nur Victor, Zebedäus hält er für ein unanständiges Wort.«
Im Raum über das alte Zypern stoßen wir auf eine Fruchtbarkeitsgöttin aus Terrakotta, aus dem Jahr
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