Suesse Versuchung
sich in der Nacht heimlich
davongeschlichen. Sie hatte ihren gesamten Schmuck, Bargeld und etwas Kleidung
mitgenommen. Der Abschiedsbrief, den der Admiral auf ihrem Bett vorfand, hatte
angeblich einen kleineren Schlaganfall bei ihm ausgelöst.
Zwei Wochen später nahm ein Notar mit ihm Kontakt auf, der in Lady Melindas
Namen die Scheidung einreichte. Admiral Mayfield ging nach einigem Zögern darauf
ein. Eingeweihte wussten zu erzählen, dass sein Schwager, Lord Edward Harrington,
maßgeblich an dieser klugen Entscheidung beteiligt gewesen sein soll.
Lady Melinda dagegen verschwand völlig aus den Augen ihres Mannes und Londons,
aber die Gerüchte über ihr Schicksal wollten nicht verstummen. Einige meinten, sie
hätte sich aus Gram das Leben genommen. Andere erzählten, sie lebte auf dem
Kontinent in einem Kloster. Und etliche flüsterten, sie wäre mit einem Geliebten
geflohen, einem Seemann, der sie dann verlassen und in die Gosse gestoßen hätte.
Admiral Mayfield nahm all diese Nachrichten mit Genugtuung auf. Eine Frau, die ihn
verlassen hatte, verdiente nichts anderes. Und um der Welt und der Gesellschaft zu
beweisen, dass er seiner Frau nicht nachtrauerte, heiratete er seine langjährige
Geliebte, die bald zum zweiten Mal schwanger wurde.
Aber Sophie Harrington, Melindas Schwägerin, die in regelmäßigem Briefverkehr
mit Edwards Schwester stand, wusste es besser.
Melinda war tatsächlich mit einem Seemann geflohen. Aber sie war letzten Endes
nicht in der Gosse gelandet, sondern lebte in den ehemaligen englischen Kolonien, die
sich die Vereinigten Staaten nannten, und hatte in der aufstrebenden Stadt New York
ein stattliches Haus, viele Freunde sowie einen Ehemann, dem sie eine Tochter
geschenkt hatte. Und wie Sophie ihrem letzten Brief entnehmen konnte, war sie schon
wieder schwanger.
Ach ja sie hieß jetzt übrigens Mrs. Jonathan Hendricks.
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