Sueße Versuchung
die anderen. Während diese nur mäßig aufdringlich versuchten nach ihr zu greifen – wobei etliche offenbar nicht den Unterschied zwischen ihrer Hand und anderen Körperteilen kannten – griffen mit einem Mal kräftige Finger nach ihrer Hand, zogen sie unerbittlich aus den Kleiderfalten hervor und pressten sie auf einen Arm, um sie dort festzuhalten. Sophie wollte sich losreißen, aber der andere war stärker.
Erboste Stimmen erklangen. »Das ist unfair! Sie hat nicht gewählt! Er hat sie überrumpelt! Das Spiel muss fortgesetzt werden!«
Die Finger hielten ihre Hand eisern fest. Ein Arm schlang sich zusätzlich um ihre Taille und zog sie mit dem Rücken an einen harten Männerkörper. Zuerst hatte sie noch gehofft, es sei Henry, aber der Mann war um einiges größer als ihr Vetter, und seine Stimme klang knapp über ihrem Ohr. »Das Spiel ist hiermit zu Ende. Die Dame hat gewählt.«
Sophie hatte bereits an der Schleife zu ziehen begonnen, um den Mann zu sehen, der sie so festhielt. Als sie jedoch die Stimme erkannte, verfiel sie in Panik. Sie riss an dem Seidensack, der Stoff gab nach, sie zerrte ihn von ihrem Kopf, verdrehte den Hals, um den Mann erkennen zu können und blickte in ein verärgertes, dunkelviolettes Augenpaar.
»Das, meine Liebe«, sagte Lord Edward tadelnd, »war jetzt höchst unklug.«
»Was …« Sie wollte sich abermals freimachen, aber der Griff lockerte sich keinen Millimeter. Lord Edward beachtete sie nicht mehr, sondern hatte schon längst die Männer um sie herum fixiert, und Sophie bemerkte erleichtert, wie sich die anderen unter seinem kühlen Blick zurückzogen, und nur die ganz Mutigen es noch wagten, Einspruch zu erheben. Sophies Schrecken, Lord Edward hier anzutreffen und von ihm gehalten zu werden, wich einem überwältigenden Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit.
»Miss Sophie?« Der Faun, der im täglichen Leben Sir Winston hieß, drängte sich heran. »Miss Sophie! Wie kann es sein, dass Sie hier sind! Bei einem solchen … ich muss sagen, ich bin schockiert! Zutiefst entsetzt!«
»Nicht minder entsetzt als ich es bin, Sie hier zu treffen, Sir Winston«, gab Sophie entrüstet zurück. »Und wenn mich nicht alles täuscht, waren Sie es sogar, der vorhin geschrien hat: Ich biete fünfzig Pfund für dieses Weib! Fünfundzwanzig Pfund für jede Tit …!'«
»Ruhe jetzt.« Lord Edward sprach völlig ruhig, nicht einmal besonders laut, aber nicht nur Sophie verzichtete auf ihren weiteren Gegenangriff auf Sir Winston, sondern es wurde im ganzen Raum still. Er machte auch jetzt noch keine Anstalten sie loszulassen, und Sophie begann sich in seiner Umarmung recht wohl zu fühlen.
Jonathans Stimme war die erste, die in die Stille erklang. »Welch hoher Besuch in meinem bescheidenen Hause.« Er schlenderte lässig heran und maß Lord Edward mit einem spöttischen Blick.
»Ich bin nur hier, um nach meiner Braut zu sehen«, sagte Edward kalt.
Diese Mitteilung traf Sophie wie ein Schlag. Lord Edward war verlobt? Mit wem?
Mit dieser Schwarzhaarigen? War sie auch hier?!
»Ihre Braut?« Hendricks klang nicht minder erstaunt als Sophie sich fühlte.
»Allerdings. Miss Sophie McIntosh und ich haben uns vor einigen Tagen verlobt.«
Sophie rang nach Worten und nach Atem. Sie machte den Mund auf, um etwas zu stottern, aber Lord Edward verstärkte den Druck seiner Hand auf ihrer und ließ sie verstummen. »Wir dürfen uns jetzt verabschieden.« Er lockerte seinen Griff nur gerade so weit, dass er Sophie vor sich her aus dem Raum und in die Halle schieben konnte.
Sie war froh, dass er sie stützte, denn ihre Beine wollten kaum gehorchen. Hinter ihnen ertönte lebhaftes Gemurmel.
»Langsam wirst du ein wenig lästig, Edward.« Jonathan sprach leise. Er war ihnen gefolgt und blieb dicht hinter ihnen stehen, als Lord Edward Sophie die Treppe hinunterführen wollte, an deren Fuß seine Kutsche wartete.
Lord Edward wandte sich halb nach ihm um, ließ Sophie jedoch keinen Moment los.
»Du hast gar keine Ahnung, wie lästig ich werden kann, wenn ich Sophie noch einmal in deiner Nähe oder gar hier entdecke«, erwiderte er kalt.
Jonathan hob in einer Unschuldsgebärde die Hände. »Aber sie ist doch ganz freiwillig gekommen.«
»Dann hätte sie auch freiwillig wieder gehen sollen«, sagte Edward scharf. »Und wenn nicht, hättest du dafür sorgen müssen, dass sie sicher heimgebracht wird.« Er warf Captain Hendricks noch einen drohenden Blick zu, dann schob er Sophie in seine
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