Sueße Versuchung
hockend an mir vorbeifuhren. Was ich übrigens recht originell fand.
Außerdem«, setzte er mit Bedacht hinzu, »sind Sie vermutlich die einzige Frau im Umkreis von zweihundert Meilen, die auf Schottisch flucht. Und zudem darf ich Sie auch darauf hinweisen, dass Sie diejenige waren, die diese Kapuze fortgerissen hat.
Wäre es nach mir gegangen, hätte niemand geahnt, wer darunter steckt.«
»Sie haben mich schon vorher gesehen?« Sophie griff nach dieser Möglichkeit wie nach einem Anker.
»Allerdings. Ich war zu einer Abendgesellschaft bei Mrs. Summers geladen und war dorthin unterwegs, als Henrys Kutsche mit Ihnen hinten drauf vorbeikam. Was mich bewogen hat, meinem Kutscher die Anweisung zu geben, Ihnen nachzufahren. Ich hoffe, Sie halten mich jetzt deshalb nicht für aufdringlich.«
Sophie überhörte den offenen Spott. Er war ihr lieber als der kalte, zurückhaltende Ton, den sie bei Lord Edward nicht gewöhnt war, und der sie einschüchterte und zugleich kränkte. »Schwören Sie mir, dass Sie zu Mrs. Summers unterwegs waren und nicht zu diesem Fest wollten?«
Er hob die Augenbrauen. »Wie bitte?«
»Ich muss das wissen. Captain Hendricks hat mir erzählt, dass Sie Gast bei seinen Veranstaltungen sind. Stimmt das?«
Sekundenlang lastete Schweigen zwischen ihnen. »Weshalb müssen Sie das wissen?«, fragte Lord Edward endlich.
»Weil ich Ihnen sonst nicht mehr vertrauen kann!« Jetzt war es draußen. Die Wahrheit, wenn auch unbedacht rausgerutscht. Sophie hielt den Atem an.
Lord Edwards Blick ruhte nachdenklich auf ihr. Endlich sagte er: »Er hat Sie belogen, Sophie, ich war heute das erste Mal bei einer solchen Geselligkeit anwesend und das auch nur, weil ich schon die böse Vorahnung hatte, dass Sie sich wieder einmal in Schwierigkeiten bringen.«
Sophie schloss die Augen und atmete tief durch. »Gott sei Dank.« Als sie die Augen wieder öffnete, bemerkte sie, dass er sie beobachtete.
»Ist Ihr Bild von mir als Wüstling nun zerstört? Das wäre bedauerlich.«
Sophie lachte zittrig. Sie mochte diesen leicht ironischen, leicht neckenden Tonfall lieber als seine Kälte. »Ich nehme den Wüstling zurück, Lord Edward. Zumindest vorläufig, bis Sie mich wieder eines Schlechteren belehren.« Sie sah ein wenig zu lange hin, verlor sich für viele Herzschläge in seinen lächelnden Augen, bis ihr etwas einfiel.
»Oh Gott!« Sie schlug entsetzt die Hand vor den Mund. »Sir Winston! Er wird es morgen Tante Elisabeth erzählen! Er wollte sie am Abend besuchen!«
»Wann?«
»Um neunzehn Uhr. Zu einer Partie Whist.«
Lord Edward seufzte leicht, dann lehnte er sich in den Polstern der Kutsche zurück.
»Sie wird es nicht von Winston erfahren, weil«, er seufzte abermals, »sie es am Vormittag von mir erfahren wird. Ganz abgesehen davon bin ich überzeugt, dass Winston sich hüten wird, den Mund aufzumachen. Und sollte ihn nicht die Furcht, sich als Gast bei einer dieser Festlichkeiten zu erkennen geben, daran hindern etwas zu sagen, so wird er schon aus Angst schweigen, möglicherweise von Ihnen zitiert zu werden.« Er betrachtete sie eingehend. »Hat er denn tatsächlich für Sie geboten?«
Sophie war viel zu aufgeregt, um auf dieses charmante Grinsen zu reagieren, das ihr unter anderen Umständen zittrige Knie und einen flauen Magen beschert hätte.
»Fünfzig Pfund!«, rief sie empört.
»Nur fünfzig Pfund? Tatsächlich nicht mehr?« Lord Edward schüttelte bekümmert den Kopf. »Als Ihr Verlobter müsste ich ihn für diese Frechheit eigentlich fordern.«
Sophies sonst stets wacher Sinn für Absurdes war ihr kurzzeitig abhanden gekommen. Alles, was sie hörte, war
Verlobter
. »Sie wollen doch Tante Elisabeth nicht wirklich erzählen, dass wir verlobt sind?!«
»Wir können ihr auch gerne die Wahrheit sagen, wenn Sie meinen, dass sie diese einer Verlobung mit mir vorziehen wird.«
»Oh, das würde sie sogar ganz gewiss«, sagte Sophie mit düsterer Überzeugung. »Sie sind nämlich der Favorit auf der Liste ihrer Heiratskandidaten.«
»Lady Elisabeth gedenkt sich wieder zu verheiraten? Ich fühle mich geschmeichelt.
Allerdings müssen wir dann vorher unsere Verlobung lösen. Es entspräche nicht dem guten Ton, wenn ich mich zweimal …«
»So seien Sie doch nicht so einfältig«, fuhr Sophie ihn an. »Sie sucht natürlich einen Mann für Augusta!«
»Ach ja?« Ein amüsierter Blick traf sie. »Wie beruhigend.«
Sophie biss sich auf die Lippen. »Verzeihen Sie, ich wollte nicht unhöflich
Weitere Kostenlose Bücher