Suesser Als Blut
stimmt nicht ganz. Jene, die ein gutes Herz haben, so wie Finn, würden dir helfen wollen. Ich glaube, es wird Zeit, dass du das erfährst. Entschuldige, Genny, dass ich dich die ganze Zeit in die Irre geführt habe.«
»Aber Hugh …«
»Lass mich ausreden. Als ich dir zum ersten Mal begegnet bin, warst du mutterseelenallein. Du hast dich verzweifelt nach jemandem gesehnt, dem du vertrauen kannst. Aber ich wusste, wenn du anfängst, dich auf Fae einzulassen« – er seufzte -, »nun ja, es gibt einige darunter, die dich für ihre Zwecke ausnützen würden, genauso wie die Vampire. Und um das zu verhindern, habe ich dir eingeredet, dass es besser sei, deinen eigenen Leuten so weit wie möglich aus dem Weg zu gehen. Bitte verzeih.«
»Ich war jung, Hugh, aber ich war nicht blöd«, sagte ich erbost. »Wie kommst du darauf, dass ich jemandem einfach so vertrauen würde, selbst wenn er oder sie Fae ist? Ich meine, selbst dir habe ich nicht sofort vertraut, oder? Das hat ein paar Jahre gedauert.«
»An dem Abend, als ich dich fand« – Hugh spielte nervös mit seinem Kuli – »als du von diesem Menschen angegriffen worden warst – also, der hatte offenbar diese Sekten-Flugblätter gelesen und sie benutzt, um sich dein Vertrauen zu erschleichen. Und wenn sogar ihm das gelungen ist, wie viel leichter wäre es dann für einen Fae?«
»Dieser Mensch hat sich mein Vertrauen nicht ›erschlichen‹, Hugh«, schnaubte ich. »Er hat’s zwar versucht, aber ich habe gleich gemerkt, dass er das Schoßhündchen von irgendeinem Blutsauger war – seine Haut hat geglüht wie ein Zwergenofen. Aber als ich ihm sagte, er soll sich verziehen, hat er gedroht, die Kellnerin umzubringen, wenn ich nicht schön brav mit ihm nach draußen gehe. Ich hatte vor, ihn mit meinem Glamour zu benebeln.«
»Stattdessen hat er dich mit Eisen gelähmt, Genny«, sagte Hugh mit brummender Bassstimme.
»Ja.« Ich schnitt eine Grimasse. »Ich gebe zu, das war ganz schön blöd von mir, so auf ihn reinzufallen. Aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass die Wirkung des Eisens so stark wäre und so lange anhalten würde.«
»Aber warum hast du nichts gesagt, Genny? Wenn du die ganze Zeit wusstest, dass ich dich belogen habe?«
»Aber du hast mich nicht wirklich belogen, oder?«, sagte ich sinnend. »Ich meine, du hast es nur gut mit mir gemeint. Außerdem würden mich die Fae tatsächlich ausstoßen, wenn sie über mich Bescheid wüssten.«
»Genny, das hab ich dir doch gerade erklärt: Nicht alle würden das tun.« Die Krater auf seiner Stirn vertieften sich.
Ach du Scheiße – Hugh wusste es nicht! Er wusste nicht, wer – oder besser gesagt, was – mein Vater war. Der Drache, der die Zuflucht bewachte, hatte Hugh nur von meiner Blutkrankheit erzählt, aber nichts über meine Abstammung, mein gemischtes Blut … Nein, ich konnte es ihm unmöglich sagen. Nicht jetzt jedenfalls.
»Okay.« Ich nahm erneut die Fotos zur Hand und sagte hastig, um ihn abzulenken: »Aber selbst wenn mir einige Fae die kalte Schulter zeigen würden, ist das im Moment nicht mal mein größtes Problem. Ich habe den Schutz der Hexen verloren. Und jetzt sind die Vampire hinter mir her.« Ich deutete auf die Fotos.
»Ich habe immer gefürchtet, dass so etwas eines Tages passieren würde, Genny.« Hugh gab in seiner Sorge um mich regelrechte Staubwolken von sich. Er war so ein lieber Kerl. »Und jetzt stehst du vollkommen schutzlos da.«
»Ich versuche ja, mich wieder aus dieser Klemme zu befreien, Hugh«, sagte ich seufzend und hob eine Kuchenschachtel aus der Tüte. »Aber da ist noch was, was ich unbedingt erledigen muss, bevor die Sache zu Ende ist.«
Wieso, um alles in der Welt, hatte Finn Kuchen bestellt? Er wusste doch, dass ich keinen Kuchen aß. Und er selbst auch nicht. Ich fummelte den Deckel auf und starrte fassungslos auf den Inhalt: zwei herzförmige blaue Samtschachteln. Mein Magen verkrampfte sich: Die musste mir der Earl geschickt haben. Neben den Schachteln steckte ein Brief.
Ich faltete das dicke, cremefarbene Pergamentpapier auseinander und las:
Meine liebe Genevieve, der Inhalt der kleineren Schachtel gehört wohl Dir, wenn ich recht vermute. Ich habe ihn vor ein paar Jahren, als Du ihn, aus Geldnot, wie ich erfuhr, versetzen musstest, für Dich erworben und aufbewahrt. Und nun sende ich ihn an Dich zurück – er hat sentimentalen Wert für Dich, wenn ich recht vermute? Nimm es als Zeichen meiner außerordentlichen Hochachtung.
Ich möchte
Weitere Kostenlose Bücher