Süßer König Jesus (German Edition)
ich und befummelte den dünnen Baumwollstoff und das draufgedruckte Porträt von Jeff Bridges.
»Die Jahrhundertmuse«, sagte er, untersuchte den Ring an meiner Kette, steckte den Finger bis zum Knöchel hinein.
»Ein Ring der Reinheit«, sagte ich.
»Von deinen Eltern?«
»Von meinem Vater. Elise und ich haben beide einen. Wir haben ein Gelöbnis abgelegt, bis zur Hochzeit Jungfrau zu bleiben, aber es nützt nichts.«
»Es nützt also nichts – hm?«
»Nein«, sagte ich und schüttelte den Kopf. »Elise ist schwanger.«
»Scheiße«, sagte er. »Verdammt.«
»Allerdings.«
»Tut mir leid«, sagte er, und schon schien das Problem nicht mehr meines zu sein. Es war einfach eine Story, die ich ihm erzählen konnte. Ich erzählte ihm von dem Ball in der Turnhalle der Schule, auf dem wir unsere Enthaltsamkeit versprochen hatten, und von meinem Vater auf seinem einen Knie. Von den vielen weißen Blumen und Ballons und Kuchen, dem weißen Traubensaft zum Anstoßen.
»Ich wusste nicht, dass es so was gibt«, sagte er.
»Eine schwarze Familie hatte das Ganze organisiert. Sie hatten vier Töchter. Eine von ihnen war knapp sieben.«
Er berührte mein Gesicht, und ich schloss die Augen und versuchte, mich zu konzentrieren – ich musste es doch genießen. Ich musste total im Moment leben, damit ich mich für immer daran erinnern würde. Und dann lag seine Hand auf meinem Schenkel, und meine Hand legte sich instinktiv auf den anderen Schenkel, um zu spüren, was er spürte. Ich legte mein Gesicht an seinen Hals. Er roch nicht nach Seife oder Eau de Cologne oder Essen oder Alkohol oder Zigaretten oder Pflanzen. Er roch nicht nach Erde oder Salz oder sauren Gurken oder Regen oder Honig oder nach irgendetwas, das ich benennen konnte. Ich wollte es ja benennen. Wie sollte ich mich daran erinnern, wenn ich es nicht benennen konnte?
»Wir haben uns grade erst getroffen, aber ich hab das Gefühl, ich kenn dich«, sagte ich. Das hatte ich schon immer mal zu einem sagen wollen. Es stimmte zwar nicht, aber es stimmte auch nicht nicht. Irgendetwas an ihm kam mir vertraut vor.
»Mit dir kann man locker reden«, sagte er und lehnte sich vor. »Und ich mag, wie du mich anschaust.«
»Wie schau ich dich denn an?«
»Genau so«, sagte er.
»Bestimmt schauen dich ’ne Menge Mädchen so an«, sagte ich. Ich wollte sexy wirken, imitierte, was ich aus dem Fernsehen kannte – diese Kombination von schläfrig und hungrig. Er lehnte sich vor, und ich drehte den Kopf weg. Fürs Küssen war ich noch nicht bereit. »Was habt ihr in einem Motelzimmer verloren, wenn ihr doch hier wohnt?«, fragte ich.
Er griff hinter sich und stellte die Dusche an. »Wir kommen manchmal her.«
»Wieso?«
»Hier können wir tun und lassen, was wir wollen, ohne dass uns einer nervt.«
»Erzählst du deiner Mutter, dass du bei Erik übernachtest, und Erik seiner, er würde bei dir übernachten?«, fragte ich.
»Meiner Mom ist das gleichgültig. Wenn sie mich finden will, ruft sie an. Kommt aber normalerweise nicht vor. Ich möchte ein bisschen Atmosphäre schaffen«, sagte er. »Was meinst du, bringt dich das in Stimmung?«
»Klingt nach duschen«, sagte ich.
»Wir könnten zusammen drunter.«
»Ich glaub nicht.«
Draußen trafen immer mehr Leute ein. Viele verschiedene Stimmen, aus denen die eines Mädchens herausstach. Wir tranken unser Bier und horchten. Es gefiel mir, mich mit ihm abzukapseln von all den andern. Ich fragte: »Wie alt bist du?«
»Siebzehn. Und du?«
»Fünfzehn. Elise ist siebzehn.«
»Du wirkst älter«, sagte er und starrte mir in die Augen.
Ich sammelte meinen Mut und erwiderte seinen Blick. Es fühlte sich unglaublich an. Die Strahlenkränze im Zentrum seiner Augen: kleine gelbe und grüne Linien, die aus den Pupillen herausschossen wie bei einer Puppe.
Es klopfte an der Tür – die lautstarke Mädchenstimme sagte seinen Namen.
»Wir können jetzt nicht«, sagte Gabe.
»Ich muss mal pinkeln«, sagte ein Typ.
»Ich auch«, sagte das Mädchen.
»Pinkelt draußen.«
»Leck mich, Alter«, sagte der Typ.
»Ich kann draußen nicht pinkeln«, sagte das Mädchen, und wir saßen ganz still da, bis sie sich verzogen hatten.
»Nicht grade viel Privatsphäre hier«, sagte er und berührte mein Haar.
»Ich werde keinen Sex mit dir haben«, sagte ich.
»Ich weiß«, sagte er, aber sein Blick verriet, dass er es nicht gewusst hatte. Er schlich sich aus dem Bad, griff sich ein Sixpack aus dem Waschbecken und schloss dann die
Weitere Kostenlose Bücher