Süßer König Jesus (German Edition)
ihr den Daumen aus dem Mund, und sie steckte ihn wieder zurück, und er zog ihn raus und sie steckte ihn rein. Ich sah mich nach den anderen Gästen um: Sie sahen alle grässlich aus. Diese Stadt wäre genau das Richtige für mich.
Sein Essen kam. Er schubste das Mädchen von seinen Schenkeln und schaufelte los. Sie griff nach einer Toast-Ecke. Er schlug ihr auf die Hand.
»Erst fragen«, sagte er, doch sie fragte nicht, und er gab ihr nichts. Ich stellte mir vor, sie sei schon vor Jahren gekidnappt worden. So lange war sie schon bei ihm, dass sie vergessen hatte, dass sie je ein anderes Leben gehabt hatte.
Ich lehnte mich übertrieben weit zurück, als meine Mutter über mich hinweg nach einer Packung Sweet’n Low langte. Mutter roch. Nach verwundetem Tier. Kaum hatten wir Montgomery hinter uns, hatte sie ihre Tage bekommen, und mir fiel ein, dass ich seit Tagen nicht geduscht hatte. Allerdings war ich gestern Abend stundenlang im Pool geschwommen, hatte Elise zugehört, die sich mit einem Jungen unterhielt, der quer durchs Land Zeitschriften verkaufte. Er stand jeden Morgen früh auf und fuhr in eine andere Stadt. Hatte weder Zeit, sich irgendwas anzuschauen, noch, irgendwas anderes zu machen, und um Geld zu sparen, ernährte er sich von Fast Food, von Ein-Dollar-Menüs. Er wollte nach Hause, denn außer den Spesen brachte es nichts, es kam vor, dass am Ende sogar er ihnen etwas schuldete. Das sei diese Art moderner Sklaverei, hatte er gesagt. Ich wartete nur darauf, dass Elise ihn mit ihrer Schwangerschaft übertrumpfen oder erzählen würde, dass uns unser Vater 2500 Meilen rumfuhr, nur damit wir als die Letzten des amerikanischen Kontinents die Ankunft unseres Erretters, Herrn Jesus Christus, bezeugten. Aber sie sagte nichts, außer, dass wir auf dem Weg zum Pazifik seien.
Elise setzte sich wieder hin und schüttete zwei Briefchen Weißer in ihren Kaffee, rührte ihn mit einer Gabel um. Sie trank jetzt jeden Morgen Kaffee, eine Tasse nach der andern, dann hielt sie ihre Hand hoch, damit ich sie zittern sehen konnte.
Als die Bedienung zurückkam, bestellte mein Vater ein T-Bone, und meine Schwester bestellte eine Waffel, und meine Mutter bestellte ein Fiesta Omelette, und ich bestellte einen Hamburger. Elise aß seit sechs Monaten kein Fleisch mehr, aber ich ertappte sie ständig dabei, wie sie verstohlen auf unsere Pulled Pork -Sandwiches schielte, auf unsere, die wurstbelegte Seite der Pizza. Sie laberte ständig irgendwas von Tierrechten und Umwelt daher und welche Ernährung der menschliche Körper nötig habe, und unser Vater laberte sein Zeug – er sagte, wenn die Menschen kein Fleisch mehr äßen, würden die Tiere unsere Städte überrennen und alles verwüsten, und die Wirtschaft würde zusammenbrechen. Er sagte, wenn es kein Fleisch mehr zu kaufen gäbe, würden die Menschen zu Kannibalen werden.
Mein Vater kramte in seinen Taschen, ging raus, kam zurück und nahm eine dünne Zeitung auseinander. Er reichte mir die Unterhaltungsseiten, und ich las mein Horoskop und sah nach, was im Fernsehprogramm stand. Hoffentlich bekämen meine Schwester und ich wieder ein eigenes Zimmer, dann könnten wir schauen, was wir wollten.
» Honey, I Shrunk the Kids kommt um acht«, sagte ich, beugte mich über meine Mutter hinweg, um es Elise zu zeigen. Wir liebten Filme aus den Achtzigern, die lächerlichen Klamotten und Animationen, die monströsen Telefone und Ghettoblaster. Wir mochten The last Starfighter, Sixteen Candles, The Goonies . Wir mochten alles mit Andrew McCarthy und Judd Nelson, die mittlerweile schon uralt waren. Wenn es für die eine Entrückung gäbe, könnte man sie restaurieren, bis sie schön wären wie früher. Andrew McCarthy mochte ich am liebsten in Less than Zero , Judd Nelson in The Breakfast Club . Molly Ringwald war für die weibliche Hauptrolle nie schön genug gewesen. Aber die Achtziger waren eine Traumwelt, und der Kapitän der Fußballmannschaft verließ gern mal die heimkehrende Königin für ein ungelenkes, rothaariges, sich seine Kleider selbst nähendes Mädchen.
Ich sah, wie der Koch meinen Burger von einem Stapel brach und auf den Grill legte. Er würzte das Steak und schlug Eier in eine Schale, so schnell, als tue er alles gleichzeitig. Er trug ein Papierhütchen, um seine Funktion zu betonen. Eine nette, altmodische Geste. Ich nahm mir noch mal den Unterhaltungsteil vor und las Elises Horoskop. Ich wollte ihr sagen, was drinstand, aber unsere Eltern hielten Horoskope
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