Süßer König Jesus (German Edition)
Tür hinter sich ab.
»Ich mag dich«, sagte ich, als er wieder auf dem Fußboden saß. »Warum musst du nur so weit draußen, in West-Texas leben?«
»Ich lebe gern weit draußen in West-Texas«, sagte er. »Allerdings bin ich noch nie woanders gewesen. Wie ist Alabama?«
»Ich weiß nicht«, sagte ich, »anders. Die Vögel klingen anders. Es gibt viele Rehe und Papiermühlen und fette Leute. Das klingt jetzt richtig schlimm, allerdings Montgomery selbst ist nicht so schlimm. In Alabama würde ich nirgendwo anders als dort leben wollen. Höchstens vielleicht in Birmingham. Birmingham ist okay, glaub ich.«
»Hissen sie dort immer noch überall die Flaggen der Rebellen?«
»Hier und da, aber das ist gut, dann weiß man wenigstens, von wem man sich fernhalten muss.«
Es klopfte wieder, und ein anderes Mädchen meldete sich – es klang nett, sagte bitte.
Er stand auf, zog mich hoch, sagte: »Na schön« und »Leck mich!«
»Danke«, sagte das Mädchen.
Sie war hübsch, sie war blondiert, sie hatte großen braune Augen.
Am Tisch schnipsten sie Kronkorken, während Erik und ein Mädchen auf den stumm geschalteten Fernseher schauten.
Draußen stand eine Gruppe von Leuten, die rauchten und sich unterhielten.
»Hey«, sagte ein Junge.
»Ich bin Jess«, sagte ich und streckte meine Hand aus. Er schüttelte sie, sagte, es sei schön, mich kennenzulernen. Gabe stellte mich den anderen vor. Sie alle waren attraktiv, hatten jedoch ein oder zwei Merkmale, die einfach nicht stimmten: Akne, dicke Beine, verkorkste Haare, Muttermale, die entfernt werden müssten, Hakennasen, Zahnfleisch, das sich beim Lachen zu sehr zeigte, Augen, die zu weit auseinander- oder zu dicht zusammenstanden. Ich musste nicht perfekt sein – fast keiner war perfekt. Warum dachte ich dauernd, ich müsse perfekt sein? Und all diese Leute hatten Sex. Ich sah mich um und dachte, du hast Sex, und du, und du .
Gabe sagte, er müsse um fünf Uhr raus, und ich überlegte, ob ich ihn langweilte, oder ob es ein anderes Mädchen gab, das er begehrte. Vielleicht die Hübsche, Blondgebleichte.
»Warum musst du so früh raus?«, fragte ich.
»Ich arbeite mit meinem Dad auf dem Bau«, sagte er. »Ich werde wahrscheinlich ein paar Stunden lang in meinem Wagen schlafen.«
»Es ist noch früh«, sagte ich, obwohl ich nicht wusste, wie spät es war – elf, vielleicht auch später. Ich wollte nicht zurück auf mein Zimmer, dort gab es nichts außer Schlaf, und ich wollte nicht schlafen. Ausnahmsweise fühlte sich mein Leben mal lebendig an, und ich wollte dieses Gefühl so lange als möglich ausdehnen.
»Du könntest mitkommen«, sagte er. »Ich hab ein Bett hinten drin.«
»Ein Bett in deinem Van?«
»Er gehört meinem Vater.«
»Ist ja ulkig.«
»Aber praktisch«, sagte er. »Wart mal.« Er ging wieder rein, holte ein paar Dosen Bier und verteilte sie auf seine Taschen. Dann liefen wir die Treppe hinunter und über den Parkplatz.
Er öffnete die Beifahrertür, und ich kletterte hinein. Es roch nach Benzin. Ich duckte mich nach hinten durch und setzte mich auf eine Matratze unter einer bräunlich orangenen Decke. Es herrschte Stille in den wenigen Sekunden, die er brauchte, um auf die andere Seite des Wagens zu gehen und die Tür zu öffnen, und ich überlegte, was ich da eigentlich tat. Mir war klar, dass er mir nichts tun würde, aber es war ziemlich genau die Art Situation, vor der man mich gewarnt hatte. Es war riskant. Genau so passierten die schlimmen Sachen. Ich dachte an die Apostelgeschichte 18,10: Denn ich bin mit dir, und niemand soll dich angreifen, dir Böses tun; denn ich habe ein großes Volk in dieser Stadt . Das gefiel mir besonders – Ich habe ein großes Volk in dieser Stadt . Die Bibel konnte manchmal so wunderschön sein, man musste nur vergessen, dass es die Bibel war.
»Hier riecht es nach Benzin«, sagte ich.
»Ich mach das Fenster einen Spalt auf.« Er fuhr die Fenster bis zur Hälfte runter, und dann setzte er sich neben mich und machte die Dosen auf.
»Wird der Wagen explodieren?«
»Nein«, sagte er und lachte.
Ich sagte ihm, dass ich so was noch nie getan hätte, und ich hätte mein ganzes Leben lang erst einen einzigen Jungen geküsst. Er sollte wissen, dass ich nicht so eine war, die mit einem Jungen loszieht, den sie eben erst getroffen hat, auch wenn es genau das war, was ich grade getan hatte, und das ließ sich auch nicht mehr ändern, gleichgültig, was ich sagte. Er unterbrach mich, indem er mich küsste.
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