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Süßer König Jesus (German Edition)

Süßer König Jesus (German Edition)

Titel: Süßer König Jesus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Miller
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Jungs behaupteten, es sei nur Quatsch gewesen – ein Witz.
    »Komm, wir gehen«, sagte sie.
    »Geh du«, sagte ich, indem ich meine Beine um Gabes Taille schlang. Kein Wunder, dass die Leute gern tranken – man musste nicht sein, wer man war, man konnte mal anders sein. Ich fuhr mit den Fingern durch sein nasses, schweres Haar. Er hatte einen Pickel am Hals, und ich merkte mir wo, damit ich nicht noch mal hinschauen müsste. »Wenn ich nicht entrückt werde, kommst du mir dann nach?«
    »Wie bitte? Du meinst, falls du, sozusagen, zurückgelassen wirst?«
    »Ja genau.«
    »Ich dachte, du seist Agnostikerin«, sagte er.
    »Genau. Deshalb schließe ich auch nichts aus.«
    »Na ja, da bleiben zwar ‘ne Menge Fragen offen, aber okay.«
    »Versprichst du’s?«
    Er klatschte seine Hand aufs Herz. »Ich geh durch die Mojave.«
    »Was noch?«, sagte ich.
    »Ich wate durch den Mississippi«, sagte er. »Und den Nil. Durch den Nil auch.«
    »Das ist toll.«
    »Ich weiß, ich bin ziemlich toll.«
    »Wusstest du, dass der Nil der längste Fluss der Welt ist? Er fließt durch zehn afrikanische Länder«, sagte ich. Diese Art nutzloser Tatsachen, die an mir hängenblieben. Und wenn ich mein Wissen auspackte, dann so, ohne es ins Gespräch einzuweben. Ich drückte mich ab von ihm, ließ mich auf dem Rücken treiben, während ich zu der riesigen Wolke hinaufstarrte, die sich vor die Sonne schob. In dicken, geraden Linien schossen die Strahlen herab, wie in einer Kinderzeichnung.
    »Jess«, sagte Elise, und ich schwamm an die Seite und hielt mich an der Leiter fest.
    »Was ist los?«, fragte ich.
    Es war fast dunkel, und sie war so weit weg, dass ich ihre Pupillen nicht von ihrer Iris unterscheiden konnte. »Muss ich Dad holen?«, fragte sie.
    Ich schwamm zu Gabe zurück, hielt mich an ihm fest und legte meine nasse Wange an seine.
    »Besser, du gehst jetzt«, sagte er.
    »Sie wird es nicht tun«, sagte ich. »Sie spielt nur die Zicke.«
    Er flüsterte mir »212« ins Ohr und stieg aus dem Becken. Ich schwamm auf der Stelle und las die POOL-REGELN . Keine abgeschnittenen Jeans. Keine Glasbehälter, Lebensmittel oder Getränke. Rauchen verboten. Rennen verboten. Unendlich viele Regeln, die meisten überflüssig.
    Ich bemerkte eine Grille und schöpfte sie aus dem Wasser. Ich schaute mich um und sah weitere. Ich schöpfte noch eine raus und noch eine. Sie schienen sich zu vervielfältigen, oder aber sie stürzten sich sofort wieder ins Wasser. Ich schöpfte eine vierte heraus und wartete ab, was sie tun würde – sie beobachtete mich, wie ich sie beobachtete, ruhig und geduldig.
    Ich schwamm zur Leiter hinüber und kletterte aus dem Pool. Auf dem Weg hinaus verabschiedete ich mich von Gabe, der mit seinen Freunden lachte und trank, als sei er mir nie begegnet.
    ***
    Fast schon in unserem Zimmer, schlug ich mit dem Kopf gegen den weit herabhängenden Ast eines Baumes. Die Jungs lachten noch immer – nicht über mich, sie hatten mich gar nicht gesehen –, doch ich spürte es in meiner Kehle, meiner Brust. Jungs würden immer lachen über mich. Begehren würden sie mich nie.
    Elise scheitelte mir das Haar, um nachzusehen. »Dir fehlt nichts«, sagte sie.
    Sie öffnete die Tür, und wir schälten uns sofort aus unseren Badeklamotten und wässerten sie im Waschbecken, wie unsere Mutter es uns beigebracht hatte. Ich zog ein frisches Höschen an, ein ärmelloses Hemd, ließ die Shorts auf meiner Tasche liegen. Elise saß auf ihrem Bett und mistete ihre Handtasche aus; sie war voller Müll; alle möglichen Verpackungen, Quittungen und ein Kieselstein, den sie quer durchs Zimmer schleuderte.
    »Willst du was aus dem Automaten?«, fragte sie.
    »Ein Kit Kat«, sagte ich, »und was von Lay’s – aber nicht die Barbecue-Chips.«
    »Ich bin gleich wieder da«, sagte sie und schloss die Tür hinter sich.
    Ich trank einen Becher Wasser, und noch einen. Ich würde wohl die ganze Nacht wach bleiben und pinkeln müssen. Andauernd tat ich etwas, das ich sofort bereute. Ich untersuchte meinen Kopf im Spiegel, konnte aber nichts sehen. Als ich die Luft anhielt, konnte ich meinen Puls spüren, merkwürdig und fremd. Dann trat ich zurück, bis ich meinen ganzen Körper sah. Wenn ich die Beine leicht öffnete, schien da ein winziges Dreieck aus Licht durch. Ich wollte hungern, damit die Lücke immer größer würde, bis ich das magerste und schönste Mädchen der ganzen Welt wäre.
    Elise kam mit zwei Tüten Lay’s, einem Kit Kat und einigen Cookies

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