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Süßer König Jesus (German Edition)

Süßer König Jesus (German Edition)

Titel: Süßer König Jesus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Miller
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gemein.«
    »Ist doch nur Spaß «, sagte sie. »Für einen Horrorfilm bist du geil genug. Wir ziehen dir einfach was Kitschiges an. Vielleicht Formwäsche von Spanx.«
    »Seid lieb zueinander, ihr zwei«, sagte unsere Mutter.
    »Wir haben nur uns«, sagte Elise.
    Immer wenn wir stritten, erinnerte unsere Mutter uns daran, dass sie eines Tages tot sein würde und es nur noch uns zwei gäbe. Das weckte in mir den Wunsch, sie hätten mehr Kinder in die Welt gesetzt.
    Unser Vater kam zurück und drückte mir den Toilettenschlüssel in die Hand. Wir gingen nacheinander. Es war besser, als erwartet: ein Klo mit Kerzenbeleuchtung.
    Im Laden entschied ich mich für eine Packung Erdbeer-Kokosnuss-Törtchen. Ich mochte sie, weil sie so rosa und rund waren. Ich nahm sie mit zur Kasse, wo Elise und meine Mutter mit einer Auswahl Snacks und Getränken warteten.
    »Lebst du allein hier draußen?«, fragte Elise den Typen. Er war sauber und gepflegt. Schein-normal. Unsere Mutter zog die Brieftasche raus und schob meine Schwester beiseite.
    »Ah-ha«, sagte der Mann.
    »Was machst du hier so?«, fragte Elise.
    »Arbeiten, jagen, angeln«, sagte er, ohne sie anzusehen.
    »Jagst du auch Truthahn?«, fragte sie.
    Er nickte.
    »Wachteln?«
    Er nickte.
    »Tauben?«
    Er nickte.
    »Auch Stadttauben?«
    »Stadttauben nein«, sagte er und verzog das Gesicht. Er gab unserer Mutter die Tüte und verschwand im hinteren Teil des Ladens.
    »Wo ist dein Shirt?«, fragte unser Vater Elise im Auto.
    »Hat gestunken«, sagte sie.
    »Deine Mutter hat sie grade erst gewaschen.«
    »Das war gestern, und es hat ungefähr 42 Grad«, sagte sie und fügte hinzu, dass Reinlichkeit gleich hinter Göttlichkeit stehe.
    »Na, dann genieße deinen freien Tag«, sagte er und erinnerte sie daran, dass er zwanzig Dollar für die Shirts bezahlt hatte.
    »Pro Stück«, sagte ich und kramte meine Törtchen aus der Tüte. Ich riss die Folie auf und zog den Einsatz heraus.
    »Lass uns reden«, sagte Elise.
    »Ach, jetzt willst du reden. Tut mir leid. Ich hab zu tun.«
    »Stimmt doch gar nicht.«
    »Ich will nicht über den Scheiß reden, über den du reden willst.«
    »Worüber willst du reden?«
    »Politik und so.«
    »Nein, über Politik wollte ich nicht reden«, sagte sie. »Vergiss es.« Sie steckte sich ihre Ohrhörer in die Ohren.
    Ich sah auf meine Törtchen und dachte an Gabe. Hätte er mich lieber, wenn ich dünner wäre? Ich wollte, dass er mich berührte und unter der Haut meine Knochen fühlte. Jungs gefiel es, wenn man hungerte, als hungerte man für sie .
    ***
    Unser Vater überrollte etwas, und ein Reifen platzte – flatterte und holperte, als unser Vater das Auto auf den Seitenstreifen steuerte.
    Wir stiegen aus und liefen um den Wagen herum, der Reifen auf der vorderen Beifahrerseite fehlte fast völlig. Unsere Mutter nahm die Bedienungsanleitung aus dem Handschuhfach und gab sie unserem Vater. Dann ging sie zum Kofferraum, holte Wasserflaschen aus der Kühlbox und verteilte sie. Ich musste pinkeln, doch ich drehte den Verschluss von meiner Flasche und nahm einen Schluck.
    »Wir haben doch eine gute Versicherung, Triple-A, oder?«, fragte Elise.
    »Sie ist vor zwei Monaten abgelaufen,«, sagte meine Mutter und legte sich den Handrücken auf die Stirn, als wolle sie ihre Temperatur messen.
    »Wir brauchen keine Triple-A«, sagte unser Vater, beschattete seine Augen und schaute in die Ferne. Er ging zum Kofferraum und begann auszuladen, legte das Werkzeug aufs Pflaster, Stück für Stück, als habe er keines davon je zuvor gesehen.
    »Komm rüber und hilf mir«, sagte er zu mir.
    »Ich muss mal«, sagte ich.
    »Deine Blase ist echt schlimm«, sagte Elise. »Jede Stunde musst du.«
    »Ich trinke eben viel.«
    »Such dir einen Baum«, sagte meine Mutter. Im Sonnenlicht sah ich, wie dünn ihr Haar geworden war, wie überall ihre Kopfhaut durchschimmerte.
    »Schlimmste. Blase. Aller Zeiten«, sagte Elise.
    Ich sah mich um – null Bäume –, und auf einmal wurde mir klar, das war der Grund dafür, warum der Himmel in Texas so viel größer war. In Alabama säumten Pinien die Straßen, magere, kranke, dicht zusammengedrängte Pinien.
    Das dürftige Gestrüpp war ziemlich weit weg. Ich lief also los. Das Gras wurde höher und höher, und ich dachte an zusammengerollte, zischelnde, angriffslustige Schlangen. Und ich überlegte, ob ich schlimme Ereignisse, indem ich sie mir vor Augen rief, heraufbeschwören könnte. Ich wusste, gleich würde ich eine Schlange

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