Süßer Mond - Süßer Mond - Dark Guardian - 01 Moonlight
Gefühle wallten in mir auf, wenn er in der Nähe war. Manchmal war mir, als würde jenes andere Mädchen aus meinem Inneren hervorbrechen und mich in einen vollkommen anderen Menschen verwandeln, wenn ich zu viel Zeit mit Lucas verbrachte.
Lucas war der große, böse Wolf, und Mason war derjenige,
der das Haus baute, in das der Wolf nicht eindringen konnte. Mason war wie ein warmes Federbett in einer Winternacht. Lucas war … ich wusste nicht, was er war. Aber er machte mir eine Heidenangst.
»Ich weiß nicht, wie sie entscheiden, wer zurückbleibt«, sagte ich ihm aufrichtig.
»Melde dich freiwillig. Du kannst in Moniques Zelt schlafen.«
Sie war nicht meine erste Wahl, aber da es keine anderen Mädchen in der Gruppe gab, war sie meine einzige Wahl. Ich malte mir aus, wie sie mir Abend für Abend vor dem Einschlafen vorschwärmen würde, was für ein heißer Typ Lucas sei. Ihre Geschichten würden mich wahnsinnig machen, aber andererseits konnte ich über Mason reden. Außerdem würde mir ein mehrtägiger Aufenthalt hier draußen die Möglichkeit geben, mich intensiver mit meiner Vergangenheit auseinanderzusetzen, als dies bei der anstrengenden Wanderung bislang möglich war.
»Ich frage Lucas.«
»Prima. Ich bin froh, dass du bleibst.«
»Ich versuche zu bleiben. Wir müssen abwarten, was Lucas dazu sagt.«
»Ich halte das für keine gute Idee.« Lucas hatte die Arme vor der Brust verschränkt und seine Stirn in autoritäre Falten gelegt.
»Wieso?«, fragte ich.
»Du bist neu.«
»Ich habe mein Leben lang gecampt. Zugegeben, ich bin mit diesen Wäldern nicht so vertraut wie du, aber es ist ein
Wald wie jeder andere. Das Camp steht. Sie unternehmen kleine Tagestouren und schauen sich ein bisschen um. Das scheint mir keine große Sache. Außerdem musst du mich irgendwann mal von der Leine lassen.«
»Warum willst du bleiben?«, wollte er wissen.
»Ich will Erfahrungen sammeln. Mich mit meiner Vergangenheit auseinandersetzen …«
»Warum?«
»Ich finde Professor Keanes wilde Theorien interessant und denke, es könnte mir Spaß machen …«
»Warum?«
Ich knirschte mit den Zähnen. Warum war es nur so schwierig?
»Weil ich Mason mag, okay? Ich möchte ein bisschen Zeit mit ihm verbringen, ihn kennenlernen. Ich fühle mich wohl in seiner Nähe.« Und in deiner Nähe fühle ich mich oft nicht so wohl.
»Schön. Dann bleib.«
Seine Worte klangen kurz angebunden. Barsch. Zornig. Ich wusste nicht, warum ich mich im Stich gelassen fühlte, als ich mich umdrehte und davonstapfte. Ich hatte bekommen, was ich wollte. Mehr Zeit mit Mason. Mehr Zeit, in der ich mich in Sicherheit wiegen konnte.
Warum kam es mir dann so vor, als hätte ich etwas verloren, das wichtiger war als das?
Als ich mich an diesem Abend schlafen legte, freute ich mich zum ersten Mal auf meinen Wachdienst. Mason war ein wenig übereifrig vor lauter Freude, dass ich bei der Gruppe bleiben würde. Er besorgte mir sogar eins ihrer grünen
Keane’s-Camper-Shirts, was ich ein wenig kindisch fand. Er hing an mir wie eine Klette. Seine Freude über meinen Verbleib im Camp war nicht zu übersehen. Ich hätte genauso froh sein müssen.
Aber Lucas war ebenso trübsinnig, wie Mason glücklich war. Er hielt Distanz. Er und Rafe führten endlose leise Gespräche am anderen Ende des Camps. Irgendwann sah es aus, als würden sie streiten. Lucas’ Miene verfinsterte sich zusehends, bis er schließlich zornig davonstapfte.
»Du liebe Güte, ich dachte, er würde auf ihn losgehen«, flüsterte Mason an meiner Seite, und mir fiel auf, dass ich nicht die Einzige war, die das Drama beobachtete.
Ich hegte den unangenehmen Verdacht, dass sie über mich und meinen Wunsch zurückzubleiben geredet hatten. Aber warum sollte Rafe sich darüber aufregen? Und Lucas brauchte es auch nicht zu kümmern. Schließlich hatten wir ja nichts miteinander gehabt.
Als Lindsey endlich zurück ins Zelt kam und mich mit müder Stimme wissen ließ, dass ich jetzt an der Reihe war, konnte ich es kaum erwarten, aus dem Zelt zu kommen. Ich wollte mit Lucas reden und ihm erklären …
Was denn eigentlich?
Ich war mir nicht sicher. Ich wusste nur, dass er nicht mehr böse auf mich sein sollte, wenn er am nächsten Morgen das Camp verließ. Doch hatte er nicht gesagt, dass es wichtigere Dinge gab als mich, um die er sich Sorgen machte? Mason gab mir das Gefühl, das einzig Wichtige für ihn zu sein. Ein Mädchen braucht so etwas.
Aber als ich aus dem Zelt trat,
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