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Sueßer Tod

Sueßer Tod

Titel: Sueßer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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    Frazer, Murray, Cornford und vor allem Jane Harrison – und verwenden den größten Teil ihrer Energien darauf, jeglichen Kommentar über die Griechen niederzumachen, der von Leuten stammt, die das Altgriechische nicht perfekt beherrschen. Sie verhalten sich ungefähr so wie die Priester vor der Reformation.
    Aus all diesen Gründen schien es mir das beste, Sie hören zuerst mich an. Möchten Sie lieber rechts oder links um den See gehen?«
    »In welche Richtung ging Patrice?«
    »Mit mir? Immer rechts.«
    »Aber Ihre Gespräche gingen in die linke Richtung?«
    »In den Augen vieler, ja. Eines sollte ich Ihnen lieber vorweg sagen«, fuhr er fort, während sie sich nach rechts wandten und kräftig auszuschreiten begannen,
    »ich habe Patrice geliebt. Es gibt kein anderes Wort für das, was ich für sie fühlte.
    Ich bin verheiratet, und auch meine Frau liebte sie. Wenn man sich überhaupt etwas aus ihr machte, dann liebte man sie. Sie war eine Person, der gegenüber man keine seichten Gefühle haben konnte. Wenn sie einen liebte, dann liebte man sie wieder, auch wenn man sie monatelang nicht sah. Fast alle Erfahrungen, die Menschen teilen können, haben Patrice und ich gemeinsam gemacht. Gegen Ende, obwohl ich natürlich nicht wußte, daß es das Ende war, hielt ich sie in den Armen und versuchte ihr Mut zu machen.«
    »War sie deprimiert, hatte sie Angst?«
    »Oja. Oft. Sie fragen nicht, ob sie meine Geliebte war?«
    »Es schien mir nicht wichtig. Ich nehme an, das war nicht die Basis Ihrer 37

    Beziehung.«
    »Natürlich nicht. Wir waren gemeinsam jung, und wir wurden gemeinsam alt.
    Unsere Kinder sind längst erwachsen. Aber auch wenn wir uns beide sehr veränderten – das, was zwischen uns war, blieb davon unberührt. Patrice hatte einen Hang zum Mystischen. Deshalb konnte sie auch ein so wundervolles Buch über Hexen schreiben. Ich dagegen bin ein ziemlich pedantischer Bibelausleger, in dem Punkt unterschieden wir uns schon immer. Aber das veränderte unsere Beziehung nicht. Was sich veränderte, war unsere Stellung in der Welt. Patrice wurde berühmt und ich berüchtigt – zumindest auf diesem Campus. Meine Auffassung von Christus gilt hier geradezu als ketzerisch.«
    »Ich habe gehört«, sinnierte Kate, die an seiner Seite ging und verstand, warum Patrice an seiner Tweedjacke und breiten Brust Trost gefunden hatte, »daß man Frauen, die im Verdacht standen, Hexen zu sein, in einen See warf: waren sie unschuldig, gingen sie unter. Wenn sie auf dem Wasser trieben, waren sie schuldig und wurden deshalb zum Tode verurteilt. Maggie Tulliver empfand diese Methode als ziemlich unfair, und mir geht es genauso. Ich weiß im Grunde wenig oder nichts über Patrice, aber ich stelle mir vor, sie war so ähnlich wie Maggie als Mädchen. Die Maggie aus George Eliots ›Die Mühle am Floss‹, wissen Sie. Sie ertrank am Schluß, weil sie eine Hexe war. War Patrice eine Hexe, was glauben Sie?«
    »Sie sind wirklich eine interessante Frau«, sagte Bertie. »Dieser Gedanke ist mir nie gekommen.«
    »Woran hat Patrice zuletzt gearbeitet? Ich meine nicht, was sie veröffentlichen wollte, sondern worüber sie brütete und sich täglich ihre Notizen machte.«
    »Über die mittleren Jahre, würde ich schätzen. Und über den Tod. Denn darüber sprach sie meistens, wenn sie mit Menschen redete, denen sie vertraute.«
    Kate nickte. »Aber welches Projekt es auch war, das sie im Kopfe wälzte, ich hatte das Gefühl, sie fand es sehr aufregend. Und ich bin überzeugt, daß sie sich nie das Leben genommen hätte, ehe sie ihr Projekt zu Ende gebracht hätte. Das ist auch der Grund, warum ich einfach nicht an ihren Selbstmord glaube. Ich weiß natürlich, daß sie der Auffassung war, man solle nicht abwarten, bis man vom Alter überrollt wird. Sie sprach oft davon, ihrem Leben ein Ende zu setzen, wenn sie den Moment für gekommen hielt. Aber meiner Meinung nach war dieser Moment noch lange nicht da. Es gibt einfach keinen einleuchtenden Grund für einen Selbstmord.«
    »Genau das macht ihren Biographen zu schaffen«, sagte Kate. »Erzählen Sie mir mehr von Patrice. Ich wünschte, ich könnte Ihnen präzise Fragen stellen. Wie zum Beispiel sah sie aus?«
    »Ich dachte, Sie hätten sie getroffen?«
    »Ich bin ihr nur einmal begegnet. Und ich erinnere mich: sie machte auf Anhieb den Eindruck, daß sie anderes im Kopf hatte als teure Garderobe, Stil oder Mode. Ihr Haar sah aus, als hätte sie es selbst mit einer Kinderschere

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