Süßer Tod
dieser Fahrt – die scheinbar kein Ende nehmen wollte – hatte Raley ihm mit knappen Worten skizziert, was George alles gestanden hatte.
Während der vergangenen hundertachtzig Minuten hatte er alles noch einmal detailliert geschildert und dabei auch zahllose Fragen der Agenten beantwortet. Miller hatte noch eine Frage übrig, die er jetzt stellte: »Wie kam es, dass Sie sich mit Miss Shelley zusammentaten?«
»Ich habe sie entführt.«
Miller und Steiner sahen sich mit hochgezogenen Brauen an. »Möchten Sie das kommentieren, Miss Shelley?«, fragte Steiner.
»Ist das denn von Bedeutung?«
»Sagen Sie es mir«, erwiderte der Agent.
»Nein.«
Die beiden Agenten sahen sich wieder an. Steiner hob eine Schulter zu einem halben Achselzucken. Nachdem Raley und Britt Schulter an Schulter und Schenkel an Schenkel nebeneinandersaßen, bezweifelte Raley, dass ihn die Agenten wegen eines Bundesvergehens verhaften würden.
»Ich hätte noch eine Frage an Sie«, sagte er jetzt. Er wollte hier raus. Sein Arm pochte, das blau geschlagene Auge brachte seinen ganzen Schädel zum Brummen, er brauchte dringend eine weitere Schmerztablette, aber er wollte diese Unterredung erst abschließen, wenn die Agenten alle Fragen beantwortet bekommen hatten und er seine. Er wollte nicht morgen früh aufwachen und die nächste Interviewrunde fürchten.
»Wie wurde das FBI auf den Fall aufmerksam?«
Miller erklärte es ihm. »Wenn ein Richter für den Federal District Court nominiert wird, wird er routinemäßig durchleuchtet. Cassandra Mellors’ Personalakte ist lobenswert, sogar bemerkenswert, sonst wäre sie nicht für den Posten vorgeschlagen
worden. Niemand rechnete damit, irgendwo ein faules Ei zu finden.
Doch dann machte uns ein ungewöhnlich gründlicher Datenanalyst darauf aufmerksam, dass sie sich kurzfristig in die Ermittlungen nach dem Todesfall einer gewissen Suzi Monroe eingeschaltet hatte. Dann erfuhren wir von dem Großbrand, den vier Helden und – Überraschung – dass der für den Brand zuständige Ermittler in den Tod des Mädchens verwickelt war. Wir erfuhren auch, dass ein Jahr nach dem Feuer einer dieser vier Helden in einer Gasse niedergeschossen worden war und der Fall nie aufgeklärt wurde.
Damit haben wir zwei mysteriöse Todesfälle, in die interessanterweise dieselben Menschen verwickelt sind. Das machte uns stutzig. Also bohrten wir ein bisschen nach und sahen uns neben Richterin Mellors auch Jay Burgess und George McGowan an.«
»Darum waren Sie an jenem Abend im Wheelhouse.«
Miller nickte Britt zu. »Wir wussten, dass Burgess krank war und nicht mehr lang zu leben hatte, trotzdem überwachten wir ihn. Wir folgten ihm in die Bar. Sie haben sich mit ihm getroffen, Sie schienen sich zu mögen, verließen die Bar gemeinsam und gingen zu ihm nach Hause.« Er sah Raley bedauernd an. »Steiner und ich waren der Meinung, dass der Mann ein paar Stunden mit einem hübschen Mädchen verdient hatte, darum haben wir uns danach verzogen.«
Raley ahnte, wie sehr die Agenten diese Entscheidung bereuten.
Britt fragte: »Warum haben Sie sich nicht gemeldet, nachdem Jay umgebracht worden war, und der hiesigen Polizei mitgeteilt, dass Sie verdeckt ermittelt hatten?«
»Ehrlich gesagt«, bekannte Steiner, »wäre es durchaus möglich gewesen, dass Sie Streit mit Burgess gehabt und ihn erstickt hatten, genau wie die Polizei vermutete. Womöglich hatte der Fall gar nichts mit unserer Sache zu tun. Der Fall lag beim Charleston Police Department, es war ihr Mord, sie mussten ermitteln.«
»Außerdem«, ergänzte Miller, »wollten wir uns nicht zu erkennen geben. Falls Richterin Mellors wirklich etwas damit zu tun hatte, durfte sie nicht ahnen, dass wir sie überprüften, denn sonst hätte sie sofort alle Spuren verwischt. Burgess war zudem Polizist. Die Männer in Blau sind ziemlich eigen, wenn es darum geht, einen der ihren zu schützen, selbst wenn der Betreffende schon tot ist. Was glauben Sie, wie begeistert das CPD mit uns kooperiert hätte, wenn man vermutet hätte, dass wir, die schnöseligen Bundesheinis, einen ihrer Helden als Verschwörer entlarven wollten?«
»Dann waren Sie plötzlich verschwunden«, ergänzte Steiner. »Das hat uns völlig durcheinandergebracht.«
»Sie haben nicht geglaubt, dass ich geflohen war, weil ich nicht verhaftet werden wollte?«, fragte Britt.
»Der Gedanke kam uns durchaus, aber bis dahin hatten wir Sie ebenfalls durchleuchtet. Sauber wie Omas Silberbesteck. Sie kamen
Weitere Kostenlose Bücher