Süßer Tod
Verhandlungen als Zeuge aussagen müssen. Aber soweit es uns betrifft, sind wir fertig. Fahren Sie nach Hause. Legen Sie sich hin, bevor Sie umkippen.«
Mühsam stand Raley auf. Britt stützte ihn, während er Millers Hand schüttelte. »Ich bin froh, dass ich nicht auf Sie geschossen habe.«
Der Agent grinste. »Ich auch.«
Steiner bot ihnen an, sie zu fahren, und sie nahmen an. Doch als sie aus dem Gebäude traten, erstarrte der Agent und rief aus: »Was in aller …«
A m Straßenrand stand Delno Pickens. Für die Fahrt in die Stadt hatte er sogar Schuhe angezogen, aber nur ein Träger seiner Latzhose war eingehakt, weshalb sein Oberkörper größtenteils nackt blieb. Unter der Straßenlaterne wirkte das wild wuchernde weiße Haar wie ein wirrer Heiligenschein.
Raley konnte Steiners Erstaunen gut verstehen. »Das ist mein Freund.«
»Unser Freund«, sagte Britt.
Während die drei näher kamen, musterte Delno Steiner von Kopf bis Fuß. Er zeigte sein Missfallen durch finster heruntergezogene Brauen und spie dann einen Strahl Tabaksaft in den Rinnstein.
Raley fragte: »Was in aller Welt tust du hier, Delno?«
»Ich bin gekommen, um euch rauszuhauen. Ich hab im Fernsehen gesehen, wie dich die Bullen aus der Notaufnahme weggeführt haben.« Er warf Steiner einen weiteren hasserfüllten Blick zu und schniefte angewidert.
»Sie haben uns nicht verhaftet.« Raley erklärte, dass er als Zeuge befragt worden war. »Wir sind jetzt fertig und auf dem Weg nach Hause.«
»Na, dann ist es ja gut«, meinte Delno. »Ich kann euch mitnehmen.«
Raley zögerte und sagte dann: »Danke. Das wäre wirklich nett.«
Steiner vertraute ihn sichtbar widerwillig Delnos Obhut an. Raley versicherte ihm, dass der alte Mann nicht so wirr war, wie er aussah. »Er ist harmlos. Mehr oder weniger.«
Der Agent reichte ihnen nacheinander die Hand, wünschte ihnen alles Gute und verschwand dann wieder im Gebäude.
Raley half Britt auf den Beifahrersitz von Delnos Klapperkiste, kletterte hinter ihr hinein und flüsterte: »Du hast allen Grund, dich zu fürchten.«
Britt lotste Delno zu ihrem Haus, auf der Fahrt schilderte sie ihm gemeinsam mit Raley, was in den letzten Tagen passiert war. Raley schloss mit der Bemerkung, dass die Geschichte, die vor fünf Jahren begonnen hatte, endlich zu Ende gebracht worden sei und jetzt der Vergangenheit angehörte, wo sie auch bleiben würde.
Delno knurrte: »Schön. Vielleicht kriegst du dann endlich bessere Laune.«
Wie Raley genau wusste, war Delno trotz dieser Bemerkung zutiefst erleichtert, dass endlich alles vorbei war. Genau wie Raleys Eltern. Während er darauf gewartet hatte, dass sein gebrochener Arm eingegipst wurde, hatte er sie angerufen, weil er befürchtet hatte, dass die Sache selbst in Augusta Schlagzeilen machen würde und sie außer sich vor Angst wären. Er hatte ihnen erklärt, es gebe viel zu erzählen, aber die Quintessenz sei, dass er rehabilitiert sei und stattdessen diejenigen, die Suzi Monroes Tod zu verantworten hatten, dafür zur Rechenschaft gezogen würden. Seine Mutter hatte geweint. Er glaubte, dass auch sein Vater schwer geschluckt hatte.
Endlich bogen sie in Britts Straße und stellten erleichtert fest, dass ihr Haus nicht von Reportern belagert wurde. Als Raley eine Bemerkung dazu machte, sagte sie: »Heute war ein echter Sensationstag. Erst Fordyce, dann Richterin Mellors. Schließlich die Verhaftung von George McGowan. Da interessiert sich niemand für mich.«
Delno kletterte aus dem Wagen und half ihr aus der Kabine. »Tu nicht so bescheiden«, sagte er. »Ich hab schon gehört, dass du morgen früh ein Interview gibst.«
»Ich habe die Einladung angenommen, aber nur unter bestimmten Bedingungen.«
»Also, einen Zuschauer hast du schon mal.«
Sie nahm seine beiden Hände und beugte sich dann vor, um ihn zu umarmen. »Danke fürs Heimfahren, Delno. Danke für alles.«
Er zerrte sich den verschlissenen Strohhut vom Kopf und drückte ihn gegen die Brust. »Es war mir ein Vergnügen.« Dann nickte er zu Raleys Gipsarm hin und fragte, ob das wieder in Ordnung kommen würde.
»Der Doc sagte, es sei ein sauberer Bruch, der in ein paar Wochen ausheilen müsste.«
»Ein Wunder, dass du dich nicht umgebracht hast. Aus einem Fenster hüpfen. Was für ein Schwachsinn.« Er spuckte wieder aus und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Kommst du zurück?«
»In die Hütte?«
»Immerhin bist du jetzt ein gemachter Mann, da dachte ich, vielleicht
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