Süßer Tod
ausgelöscht hatte. Dummerweise hatte mein bester Freund mir geraten, mich nicht darauf zu berufen, weil es dann so aussehen würde, als würde ich nicht nur schwer trinken, sondern obendrein Drogen nehmen.«
»Sie hätten mich anrufen und mir Ihre Version erzählen können.«
Er schnaubte schon wieder. »Sie hätten mir natürlich geglaubt.«
Nein, das hätte sie nicht. Das wusste sie selbst.
Als hätte er ihre Gedanken gelesen, lachte er verbittert auf, aber sie entschuldigte sich nicht mehr. Sie hatte zugegeben, dass sie einseitig berichtet hatte. Sie hatte gesagt, dass sie das bereute; er hatte ihre Entschuldigung zurückgewiesen. Jetzt war es an der Zeit, nach vorn zu blicken.
Aber bevor sie den nächsten Schritt unternahm, wartete sie ein paar Sekunden ab, bis sich die Atmosphäre geklärt hatte. Dann sagte sie: »Jay wollte Ihre Ermittlungen zum Erliegen bringen?«
Er nickte knapp. »Er wusste, dass ich auch als Polizist ausgebildet war. Ich glaube, das hat er mir immer verübelt, aber das werden wir nicht mehr erfahren. Vielleicht war es auch anders. Jedenfalls war ich kurz davor, etwas zu entdecken, das ich nicht entdecken sollte.«
»Was denn? Die Brandursache?«
»Die Brandursache stand fest. Zweifelsfrei. Jemand hatte einen Papierkorb angezündet.«
»So einfach war das?«
»Nicht ganz so einfach.« Er zögerte, als wollte er ins Detail gehen, schien dann aber seine Meinung zu ändern. »Meine Ermittlungen waren noch nicht abgeschlossen und nicht schlüssig. Als ich auf Jays Party ging, waren noch viele Fragen offen, auf die ich nie eine Antwort bekommen sollte. Nachdem man mich
demontiert hatte, begnügte sich Brunner mit den Erklärungen, die man ihm gegeben hatte, und verfasste einen entsprechenden Bericht. Die Öffentlichkeit ahnte nichts und feierte stattdessen die Helden.«
»Die Helden.« Sie zählte sie an den Fingern ab. »Pat Wickham und George McGowan.«
»Die beiden verkaterten, aber sofort einsatzbereiten Detectives, die nach Suzi Monroes Tod herbeigerufen wurden.«
»Cobb Fordyce.«
»Der Staatsanwalt, der mich zwar nicht vor Gericht brachte, aber öffentlich den Feuerwehrchef lobte, als der meine Entlassung aus dem Department verkündete.«
»Und Jay.«
»Der seinen Arsch besser absichern konnte als jeder andere, den ich kenne.«
Das Bild, das sich vor ihrem inneren Auge zu formen begann, war nicht besonders schön. »Wollen Sie damit sagen, die vier hätten Ihr Techtelmechtel mit Suzi Monroe eingefädelt und noch dazu sichergestellt, dass das Mädchen eine Überdosis Kokain schnupft, nur um Ihre Ermittlungen zu behindern?«
»Sie sind doch die journalistische Überfliegerin, was sagen Sie dazu?«
»Wollen Sie bestreiten, dass diese Männer heldenhaft gehandelt haben?«
»Da gibt es nichts zu bestreiten«, sagte er. »Mehrere Hundert Zeugen haben beobachtet, wie sie die Verletzten aus dem brennenden Gebäude trugen und mehrmals wieder ins Feuer liefen, um noch mehr Menschen zu retten.«
»Warum sollten sie sich dann durch Ihre Ermittlungen bedroht fühlen? Warum sollten sie ein solches Risiko eingehen, nur um Sie auszuschalten? Dafür gibt es keinen Grund. Es sei denn …«
Als sie mehrere Sekunden lang verstummte, hakte er nach: »Es sei denn?«
Inzwischen hatten ihre Gedanken eine ganz neue Richtung eingeschlagen. »Es sei denn, Sie standen kurz davor, mit Ihren Ermittlungen etwas ans Tageslicht zu bringen, das noch vor dem Brand passiert war.«
Er wartete schweigend ab, während sie ihre Gedanken ausfeilte.
»Das war es, nicht wahr? Sie standen kurz davor, etwas aufzudecken, das die vier Helden nicht nur weniger glanzvoll, sondern ganz und gar nicht heldenhaft erscheinen lassen hätte.« Sie redete immer schneller, um mit ihren Gedanken Schritt zu halten. »Das würde einen Sinn ergeben. Diese vier haben keine Mühen gescheut und sogar riskiert, mit Suzi Monroes Tod in Verbindung gebracht zu werden, weil man Sie um jeden Preis abhalten musste, etwas sehr, sehr Übles herauszufinden, das nur diese Männer wissen konnten.«
»Einer für alle, alle für einen«, bestätigte er bitter.
»Jay wollte mir ihr Geheimnis verraten. An jenem Abend im Wheelhouse. Nicht wahr? Er wollte sich diesmal tatsächlich eine Last von der Seele reden.«
»Gut möglich«, bestätigte er immer noch verbittert. »Er hatte nur noch ein paar Wochen zu leben. Er wollte sein Gewissen entlasten, bevor er seinem Schöpfer gegenübertrat. Wer wäre da besser geeignet gewesen als Sie? Seine
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