Süßer Tod
Sie
hätte endlich die Story, mit der sie Karriere machen konnte. Er hatte alle notwendigen Elemente geliefert, die ihr bislang gefehlt hatten, und zusätzlich einen Spritzer Melodramatik hinzugefügt. Dafür würde sie ihm bald dankbar sein, selbst wenn sie im Moment nicht allzu gut auf ihn zu sprechen war.
Während der Tank volllief, schaute er in Richtung Stadt. Er hatte Heimweh danach, nach den Kinos und nach den Restaurants, in denen man Shrimps, Grütze und Crab Cakes bekam, nach den Spielen im Stadion und der langen sonntäglichen Joggingrunde am Hafen.
Vor allem aber fehlte ihm die Arbeit, die er so geliebt hatte.
Vielleicht hatte er die Arbeit noch mehr geliebt als Hallie. Es war ein wenig schmeichelhaftes Eingeständnis, aber ehrlich betrachtet bedauerte er es mehr, dass er seinen Beruf nicht mehr ausüben konnte, als dass er sie verloren hatte.
Irgendwann war er zu dem Schluss gekommen, dass sie nicht an ihm gezweifelt hätte, wenn sie ihn tatsächlich so geliebt hätte, wie sie behauptet hatte. Nachdem er zugegeben hatte, auf Suzi Monroes ersten Flirt reagiert zu haben, hätte Hallie genau wie seine Eltern seine Schilderung als unumstößliche Wahrheit hinnehmen müssen. Sie hätte ihm ohne Zögern und ohne Einschränkung glauben müssen.
Aber das hatte sie nicht. Sonst hätte sie ihn nicht so schnell gehen lassen. Und wenn er sie wirklich so geliebt hätte, wie er geglaubt hatte, hätte er sich nicht so bereitwillig zurückgezogen und Jay freie Bahn gelassen.
Feigling.
Er konnte verstehen, inwiefern Britt ihn für feige hielt. Aber ihm fehlte nicht der Mut, sondern die Rückendeckung. Es war nicht klug, draufloszustürmen und Menschen in gehobenen Positionen eines Verbrechens zu bezichtigen, solange man nichts beweisen konnte. Wenn man keine handfesten Beweise besaß, brauchte man zumindest eine Zeugin, die die Vorwürfe untermauerte.
Jetzt, nachdem er fünf lange Jahre gewartet hatte, hatte er endlich eine gefunden.
Britt hatte vielleicht den Eindruck, dass er sie mit Munition versehen und dann an die Front geschickt hatte, um seine Schlacht für ihn auszufechten, aber sie konnte nicht wissen, dass er fest vorhatte, hinter den Linien einen zweiten Kampf zu führen. Nur so konnten sie die Auseinandersetzung gewinnen, vor allem, weil er nicht einmal sicher war, welcher der beiden überlebenden Helden Jay hatte umbringen lassen.
Sowohl McGowan als auch Fordyce hatten damals alles darangesetzt, seine Ermittlungen zu stoppen. Hatte einer von beiden Jay auf eigene Faust zum Schweigen gebracht, oder hatten sie sich zusammengetan? Eines stand jedenfalls fest: Keiner von beiden war der Held, für den er sich ausgab.
Britt konnte seinetwegen gern die Lorbeeren dafür ernten, dass sie diese Männer, ihr doppeltes Spiel und ihre Verbrechen entlarvte. Er wollte nur von seiner Schuld freigesprochen werden. Er wollte sein Leben wiederhaben.
Natürlich machte er sich nichts vor. Es würde kein Spaziergang werden. Beide Männer hatten viel zu verlieren, und beide würden sich zur Wehr setzen. Außerdem hatte jeder von ihnen die Ressourcen für einen langen, schmutzigen Kampf.
Wer auch immer für den Mord an Jay verantwortlich war, kannte sich mit schmutzigen Tricks aus und hatte keine Hemmungen, sie anzuwenden. Offenbar hatte der Täter Jay genau im Auge behalten, weil er befürchtet hatte, dass Jay nach seiner jüngsten Diagnose einen plötzlichen Drang zur Beichte verspüren könnte. Britt hatte erzählt, dass Jay sie am Vormittag vor ihrem Treffen angerufen und sich mit ihr verabredet hatte. Das bedeutete, dass der Plan, ihn umzubringen und ihr die Schuld in die Schuhe zu schieben, noch am selben Tag gefasst und durchgeführt worden war. Der oder die Täter hatten schnell und zielsicher zugeschlagen.
Sobald Britt Fragen nach dem Brand zu stellen begann, würden
Polizei und Presse die sogenannten Helden von damals genauer in Augenschein nehmen. Einer oder beide würden zu zappeln beginnen. Raley hatte fest vor, genau zu beobachten, wer am kräftigsten zappelte, wer sich am heftigsten gegen die hässlichen Anschuldigungen zur Wehr setzte und wer am ehesten gewillt war, all das zu beantworten, was Raley noch über den Brand erfahren musste.
Er war entschlossen, sie festzunageln. In den letzten fünf Jahren hatte er praktisch an nichts anderes gedacht. Nachdem Jay jetzt gestorben und Britt in die Sache verwickelt war, konnte er seinen Job zu Ende bringen, ohne befürchten zu müssen, dass man ihn für
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