Süßer Tod
unglaubwürdig halten oder in Verruf bringen würde. Wahrscheinlich musste er Jay dafür dankbar sein.
Aber für mehr sicher nicht. Jay, Pat Wickham, Cobb Fordyce und George McGowan. Die ersten beiden waren aus dem Spiel. Die anderen beiden würden genauso öffentlich gegeißelt werden wie er damals.
Die Presse würde sich auf sie stürzen. Dafür würde Britt sorgen. Alles, was sie sagten oder taten, wäre eine Meldung wert. Sobald sie protestierten, würde sie den Druck erhöhen. Sie wäre in ihrem Element.
Die Zapfsäule schaltete sich ab. Raley hängte die Pistole wieder ein und schraubte den Tankdeckel zu. Er winkte dem wach- und schweigsamen Mann hinter dem Gitterfenster zum Abschied zu. Dann holte er die Windjacke von der Ladefläche, nahm sie mit in die Kabine und warf sie zusammen mit seinem Hemd auf den Beifahrersitz.
Er fuhr an, aber als er auf die Straße biegen wollte, die ihn nach Hause bringen würde, bremste er wieder ab und wischte sich, den Blick auf die Windjacke gerichtet, die Schweißperlen von der Stirn. Die Jacke roch überhaupt nicht nach Hund. Dass sie darauf geschlafen hätten, hatte er ihr nur erzählt, um sie zu ärgern. Sie roch nach ihr.
Wahrscheinlich würde sie auf der Stelle verhaftet und des
Mordes an Jay angeklagt. Aber dann würde sie die Karten ausspielen, die er ihr in die Hand gedrückt hatte. Und damit würde sie sich zwei mächtige Männer zu Feinden machen.
Trotzdem würde ihr nichts passieren. Weder Fordyce noch McGowan waren so verrückt, ihr etwas anzutun, solange sie im Scheinwerferlicht stand und sich ganz South Carolina für sie interessierte. Ihre Berühmtheit würde sie schützen. Außerdem wäre sie im Polizeigewahrsam.
Aber, o Gott, diese Frau war absolut skrupellos, wenn sie irgendwo eine gute Geschichte witterte. Würde sie vielleicht alle Vorsicht in den Wind schlagen, Verhältnismäßigkeit und Vernunft vergessen, weil sie so versessen darauf war, die beiden festzunageln?
Er sah in die Richtung, aus der er gekommen war, und fragte sich, ob seine Wegbeschreibung genau genug war. Hatte er auch aufgeschrieben, dass sie erst nach dem Doppelgleis links abbiegen durfte? Wenn sie schon nach dem einfachen Gleis links abbog, würde sie möglicherweise meilenweit fahren, bevor sie ihren Fehler bemerkte.
Mist, hatte er das wirklich deutlich genug geschrieben? Als er am Morgen die Wegbeschreibung verfasst hatte, hatte ihn die Vorstellung abgelenkt, dass sie in diesem Moment in seinem Bett lag, auf der Seite und mit angezogenen Knien, und darum waren die Anweisungen möglicherweise nicht so detailliert ausgefallen, wie sie sollten.
Er sah noch einmal auf die Windjacke, lenkte den Pick-up dann unter einem inbrünstigen Fluch in die Richtung, aus der er gekommen war, und trat das Gaspedal durch.
»Dieses Schwein!«
Sie hatte das Handy die ganze Zeit dabeigehabt.
Fünfzehn Minuten nachdem der Akku den Geist aufgegeben und ihr Gespräch mit Bill Alexander abrupt abgeschnitten hatte, kochte sie immer noch vor Wut. Sie hatte ihr läutendes Handy
in einem selten benutzten Reißverschlussfach ihrer Handtasche entdeckt. Wie ein dummes Huhn hatte sie Raley Gannon geglaubt, als er ihr erzählt hatte, er habe ihr Handy bei ihr zu Hause gelassen.
Sie fragte sich, wie viele Lügen und Halbwahrheiten er noch erzählt hatte.
Durfte sie überhaupt glauben, was er ihr über Suzi Monroe berichtet hatte, wenn er so leicht und so überzeugend lügen konnte? Er wusste, dass sie bei ihrer Pressekonferenz erklärt hatte, man habe ihr K.-o.-Tropfen eingeflößt, die jede Erinnerung an die Nacht mit Jay ausgelöscht hatten. Bestand auch nur die entfernte Möglichkeit, dass Raley sich eine ähnliche Geschichte ausgedacht hatte, um endlich Rache zu üben?
Mit seiner Geschichte bezichtigte er Jay Burgess verschiedenster Missetaten, dass Raley auf seinen ehemaligen besten Freund nicht allzu gut zu sprechen war, war unübersehbar. Mit einem Schlag hätte er sich reingewaschen und Jays Heldengeschichte in den Schmutz gezerrt.
War sie hereingelegt worden?
Falls ja, dann war Raley ein begnadeter Lügner. Seine Geschichte wirkte umso glaubwürdiger, als er einen Teil davon zurückgehalten hatte. Sie hatte die Erfahrung gemacht, dass die Menschen mit den wichtigsten Informationen oft am wenigsten gewillt waren, sie mit anderen zu teilen. Er wusste etwas über den Brand oder über dessen Ursprung oder irgendetwas, das er für sich behalten wollte.
Früher oder später müsste er alles
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