Süßer Zauber der Sinnlichkeit
Proviant anvertraut hat und nicht mir, denn sonst wäre jetzt alles ein einziger kalter Brei!" Bei dieser Vorstellung verzog er angewidert das Gesicht.
Dominie ließ sich ihre klammheimliche Schadenfreude nicht anmerken. "In Breckland habe ich das köstlichste Essen seit langem bekommen. Da brauche auch ich nichts mehr bis morgen!"
"Dann können wir uns ja endlich …"
Dominie unterbrach ihn. "Doch! Da ist noch was – es sei denn, du möchtest es dir unbedingt die ganze Nacht verkneifen!"
"Praktisch wie immer!" brummte Armand, zwischen Befremden und Bewunderung hin und her gerissen. Dann ließ er den Arm voll Zweige neben dem Erdloch fallen und entfernte sich in die entgegengesetzte Richtung zu einem hohen Gebüsch, hinter dem er sich erleichterte. Als er sich auf den Rückweg machte, war es bereits vollkommen dunkel geworden. Einen Augenblick fürchtete er schon, er könne sich in der Finsternis verlaufen. "Dominie?" rief er fragend.
"Hier drüben!"
Vorsichtig bewegte er sich in die Richtung, aus der ihre Stimme zu hören war. "Da sind wir aber keinen Moment zu früh fertig geworden, was?" Ihr Atem zischte fröstelnd zwischen den Zähnen hervor. "Nun komm endlich! Wenn mir schon kalt ist, dann musst du vollkommen durchgefroren sein!"
Als er näher kam, verlangsamte er den Schritt, um sie nicht in der Dunkelheit anzurempeln. Was natürlich ein törichtes Unterfangen war, denn schon bald würde er die ganze Nacht dicht an sie geschmiegt verbringen – mit beinahe nichts zwischen ihnen!
Nichts als einer Wand aus Verbitterung und Reue auf beiden Seiten, so undurchdringlich wie die steinerne Mauer eines Burgfrieds. Die Vorstellung, ihrem Körper so nah, aber ihrem Herzen so fern zu sein, bereitete Armand Qualen.
Worauf wartete der Kerl denn nur? Dominie konnte ihn ganz in der Nähre rumoren hören. Wieso streckte er sich nicht einfach neben ihr aus und fertig? Kein Zweifel: Er wollte diesen Augenblick so lange wie möglich hinauszögern. Sie hingegen wollte es möglichst rasch hinter sich bringen.
So nämlich packte sie jede unangenehme Aufgabe an, und von denen hatte es während ihrer Zeit als Lehnsherrin zu Wakeland und Harwood mehr als genug gegeben. Je unverzüglicher man solche leidigen Pflichten anging, desto schneller hatte man sie erledigt.
Sie tastete ins Finstere hinein, hin zu dem Geräusch von Armands Atem, und ihre Finger stießen auf den Stoff des Wamses. "Runter mit dir! Es wird nicht eben wärmer, wenn wir uns weiter sträuben!"
Armand gab einen wütenden Laut von sich, als er sich an ihr vorbeitastete und ihr dabei das Stückchen Stoff aus der Hand riss. "Ich sträube mich gar nicht!"
Sie gestattete sich ein leises Lächeln, das Armand in der Dunkelheit nicht sehen konnte. Während er es sich unter möglichst viel Getöse und Gefuchtel bequem machte, löste Dominie ihren Umhang. "Bist du so weit?" fragte sie, bestrebt, die Frage möglichst harmlos klingen zu lassen.
"Ja!" gab er heftig zurück.
"Dann komme ich jetzt auch!"
Als sie ihren Umhang abnahm, rann ihr ein kalter Schauer über den Rücken. Die prickelnden Knospen ihrer Brüste berührten das Leinen ihres Untergewandes. Ob Armand sie wohl durch das Wollwams hindurch spüren würde? Und falls ja – würde er wissen, dass diese Reaktion ihres Körpers allein an der Kälte lag?
Oder würde er sich etwa einbilden, er habe die Macht, sie zu erregen, noch nicht verloren? Schon der Gedanke machte sie wütend, denn … nun, vielleicht … es konnte tatsächlich sein!
Sie breitete den Mantel über sich und Armand und wies ihn anschließend an, die Zweige darüber aufzuschichten. Nachdem sie sich dann wortlos eine Weile gedreht und gewendet hatten, um die am wenigsten unbequeme Schlafposition zu finden, verfielen sie in eine Art verlegenes, hellhöriges Schweigen, welches mit Schlaf ganz und gar nichts gemein hatte.
Wäre ob dieser unerquicklichen Lage nicht die erhoffte Wirkung eingetreten – Dominie hätte sich wohl tatsächlich mit dem Frost anfreunden müssen. Doch je mehr sich ihr Leib eng an Armands Körper schmiegte, desto wohliger spürte sie die ersehnte Körperwärme. Sie hätte ebenso wenig von ihm lassen können wie ein Ertrinkender von einem dornigen Ast, welcher ihn in der Flut über Wasser hält.
Wäre Armand so kalt wie Stein gewesen, dann hätte Dominie sich wohl gefragt, ob seine Berührung etwa immer noch einen nagenden Hunger in ihr hätte stillen können: Die Sehnsucht danach, aus nächster Nähe zu erfahren,
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