Süßer Zauber der Sinnlichkeit
Oder dass er sie anfassen musste, um den Sturz zu verhindern?
In einem Anflug törichter Schwäche verharrte sie einen Wimpernschlag länger in seiner Umarmung, die sich stark, sicher und wundervoll anfühlte! Diese Schwäche war auch der Grund für ihren sehnsüchtigen Wunsch gewesen, die Last von Harwood und Wakeland abzuschütteln und auf Armands kräftige Schultern zu laden. Doch sie durfte ihrem Sehnen nicht nachgeben, denn allzu bald würde er wieder fort sein und Dominie sich selbst und ihren Verpflichtungen überlassen. Und wenn sie nicht Acht gab, würde sie wieder mit einem gebrochenen Herzen zurückbleiben!
"Wir dürfen keine Zeit verlieren!" Sie befreite sich aus seinen Armen und richtete sich auf.
Dann klaubte sie Armands Untergewand von dem Teppich aus Moos und Farnen, auf das seine Kleider gefallen waren. Ganz in der Nähe erspähte sie eine Buche. Dorthin eilte sie nun und breitete das Gewand über das niedrige, ausladende Astwerk. An den Zweigspitzen waren bereits die noch dicht geschlossenen Knospen zu sehen. Bald schon würde Thetford Forest sich in frischem, grünem Gewande präsentieren.
Während sie tief Luft holte, straffte sie die Schultern und reckte das Kinn. Dann wirbelte sie herum und stapfte hinüber zu Armand, der gerade sein Gewand über einen Aststumpf breitete. "Wir sollten uns an die Arbeit machen! Es gibt noch einiges zu tun!" Mit dem Kopf wies sie auf die beiden hohen Eichen, welche nur wenige Schritte entfernt aufragten. "Die Aushöhlung verbreitern, mehr Moos sammeln und Zweige zum Zudecken abbrechen!"
"Einverstanden!" Armand bückte sich nach seinem Stock. "Zeig mir die Stelle. Ich kann ja graben, während du sammelst!"
"Begreifst du eigentlich, was ich da gerade gesagt habe?" Sie machte sich auf eine heftige Auseinandersetzung gefasst. "Wenn wir heute Nacht nicht zu Tode frieren wollen, dann müssen wir uns in das Erdloch legen – gemeinsam! Und uns dann mit meinem Umhang und abgebrochenen Zweigen zudecken."
Armands einzige Antwort bestand in einem wortlosen Achselzucken.
"Hast du dir beim Sturz in den Fluss den Schädel gestoßen?" fragte Dominie scharf. "Oder die Ohren so voll Wasser bekommen, dass du nicht mehr richtig hörst?"
"Weder – noch!" Er nahm die von ihr geborgte Kappe ab und fuhr sich mit den Fingern durchs feuchte Haar. "Ich habe dich durchaus gehört und deine Worte verstanden. Dann an die Arbeit, solange es noch hell genug ist!"
Ohne ein einziges Widerwort? Was war denn in ihn gefahren? "Hältst du das denn nicht für anstößig oder sündig?"
Er ließ ein bekümmertes, leises Lachen vernehmen, das in einen noch melancholischeren Seufzer überging. "Hätte ich vorhin am Fluss nicht eben diese Worte nutzlos verschleudert, dann bliebe uns jetzt vielleicht eine Wahl. Es liegt nichts Sündhaftes darin, wenn wir so eng beieinander ruhen, vorausgesetzt, ich erlaube mir bei dir keine Freiheiten. Und das werde ich nicht, mein Wort darauf!"
"Es gibt keine andere Möglichkeit, damit wir es heute Nacht einigermaßen warm haben. Durch ein Feuer könnten wir entdeckt werden!"
"Sind etwa deine Ohren voll Wasser gelaufen?" rief er ihr zu, nachdem er sich auf den Weg zu den Eichen gemacht hatte. "Oder habe ich mich unklar ausgedrückt? Ich habe Ja gesagt, Dominie! Ich wünschte, es gäbe eine andere Möglichkeit, doch da diese nicht besteht, gehorche sogar ich der Not!"
Und noch ehe sie ihm eine schlagfertige Antwort geben konnte, wirbelte er auf dem Absatz herum und baute sich vor ihr auf. "Das klang bei dir eben so, als wolltest du einen Streit vom Zaun brechen! Es tut mir Leid, dich enttäuschen zu müssen, aber ich habe vor Einbruch der Dunkelheit noch zu buddeln!"
"Ich wollte doch nicht streiten!" Auf der Suche nach weiterem Moos stakste Dominie durchs Unterholz. "Ich bin nur überrascht, dass du endlich einmal einen Funken Vernunft annimmst, mehr nicht!"
War es tatsächlich nicht mehr? fragte sie sich, während sie insgeheim bezweifelte, dass ihr die Antwort gefallen würde. Oder hatte sie sich mit Armand angelegt, weil Angriff die beste Verteidigung zu sein schien – bevor sie die Nacht in der gefährlichen Wärme seiner Arme verbringen musste?
5. Kapitel
Er hatte geschworen, sich Dominie gegenüber keine Freiheiten herauszunehmen, und daran würde er sich auch halten! Dazu aber mussten die Heiligen ihm schon beistehen, denn jede Minute würde er der Versuchung zu widerstehen haben!
Ein Tropfen Feuchtigkeit rann ihm den Nacken hinunter,
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