Suesses Gift Der Liebe
meinem Tagesablauf. Nie ist das Frühstück bereit, wenn ich es möchte. Ich erwarte, dass Mrs Perkins bald kündigt … so wie die anderen.« Er betrachtete den Fisch mit einem an Andacht grenzenden Ausdruck. »Das sieht aber lecker aus.«
Mir bleibt nichts übrig, als ihn einzuladen, dachte Lucinda.
»Bitte, setzen Sie sich zu uns«, forderte sie ihn brüsk auf.
Caleb schenkte ihr ein unerwartetes Lächeln, das seine Züge so stark verwandelte, dass sie den Atem anhielt. Fasziniert hatte er sie von Anbeginn an, nun aber wurde ihr klar, dass er imstande war, sie auch zu bezaubern. Ein beunruhigender Gedanke. Seitdem sie entdeckt hatte, dass Ian Glasson sie betrog, hatte sie sich für immun gegen männliche Tricks gehalten.
»Danke, Miss Bromley, da kann ich nicht widerstehen«, antwortete er.
Er nahm sich einen Teller und bediente sich mit einem Eifer, der bei ihr noch mehr Argwohn weckte. Als er am gestrigen Morgen gegangen war, hatte er sich erkundigt, wann sie zu frühstücken pflegte. Um halb neun, hatte sie gesagt, in der Meinung, er wolle seinen nächsten Besuch so planen, dass er
sie nicht bei Tisch störte. Sie warf einen Blick auf die hohe Uhr. Zwei Minuten nach halb neun. Das ist kein Zufall, folgerte sie. Caleb Jones war kein Mann, dem Fehler dieser Art unterliefen.
Patricia unterdrückte mit Mühe ein Kichern. Lucinda sah sie strafend an, dann galt ihr Blick wieder Caleb.
»Ich nehme an, in Ihrem Haushalt wechselt das Personal sehr häufig, Mr Jones«, sagte sie kühl.
»Es ist nicht so, dass ich viel Personal brauche.« Er häufte Eier auf seinen Teller. »Ich lebe allein im Haus. Die meisten Räume sind versperrt. Ich brauche nur eine Haushälterin und jemanden für den Garten. Ich schätze es nicht, wenn sich viele Leute im Haus betätigen, während ich zu arbeiten versuche. Es lenkte mich zu sehr ab.«
»Ich verstehe«, meinte Lucinda neutral. Jetzt war sie es, die sich ein Lachen verbeißen musste.
»Ich begreife es nicht.« Caleb ging an den Tisch und setzte sich. »Haushälterinnen kommen und gehen wie Züge. Sie bleiben einen Monat, im besten Fall zwei, dann kündigen sie. Ständig muss ich die Personal-Agentur bemühen, mir eine neue Kraft zu verschaffen. Sehr ärgerlich, kann ich Ihnen sagen.«
»Und worüber haben sie sich vor allem zu beklagen?«, fragte Lucinda
»Dass sie alle kündigen.«
»Ich meine die Haushälterinnen, Sir. Warum verlassen sie mit solcher Regelmäßigkeit Ihr Haus?«
»Ach, da gibt es jede Menge Gründe«, sagte er vage. Er nahm einen großen Bissen von den Eiern, kaute begeistert und schluckte. »Einige behaupten, sie fänden es beunruhigend,
wenn sie mich in Arbeitszimmer und Labor spätabends umhergehen hören. Es hört sich an, als spuke es im Haus. Abergläubischer Humbug, natürlich.«
»Natürlich«, murmelte Lucinda.
»Andere ängstigten sich bei bestimmten Experimenten, die ich gelegentlich mache. Als ob ein wenig Blitzpulver jemandem schaden könnte.«
»Tatsächlich weiß man, dass es genau das tut«, wandte Lucinda ein. »Unter Fotografen, die verschiedene gefährliche Chemikalien zur Herstellung des Blitzpulvers benutzten, kam es zu ernsten Unfällen.«
Caleb sah sie gereizt an. »Das Haus ist mir noch nicht abgebrannt, Miss Bromley.«
»Wie schön für Sie.«
Er widmete sich wieder seinem Teller. »Im Allgemeinen beklagen sich die Haushälterinnen vor allem über meine Zeiteinteilung.«
»Haben Sie denn eine?«, frage Lucinda höflich.
»Natürlich habe ich einen Zeitplan. Dass er sich täglich ändert und sich dem jeweiligen Projekt anpasst, ist ja nicht meine Schuld.«
»Hmm.«
Patricia, die offenbar einen Themenwechsel für angebracht hielt, griff rasch ein.
»Lucy wollte eben die Schlagzeilen vorlesen«, sagte sie.
»Na, was haben Sie da?«, fragte Caleb. Er warf einen Blick auf die Zeitung in Lucindas Hand. Als er sah, welche es war, schüttelte er angewidert den Kopf. »Richtig. Der Flying Intelligencer . Glauben Sie auch nicht einen Bruchteil dessen, was Sie in dem Schundblatt lesen. Es lebt von Sensationen.«
»Vielleicht.« Lucinda studierte die Schlagzeile. »Sie müssen aber zugeben, dass es ein sehr aufregender Artikel über ein höchst bizarres Verbrechen ist. Hören Sie.«
Sie begann laut vorzulesen.
BLUTIGES MENSCHENOPFER VON GEISTERN VEREITELT
Von
Gilbert Otford
Unsichtbaren Händen aus dem Jenseits ist es zu verdanken, dass ein grausiges okkultes Ritual verhindert und das Leben eines unschuldigen Jungen
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