Suesses Gift Der Liebe
besitze, sie aber tat so, als verstünde sie nicht, was ich meine.«
»Vielleicht ist es ihr entgangen«, sagte Caleb. »Viele Menschen mit bescheidenem Talent nehmen ihre Fähigkeiten als Selbstverständlichkeit und halten sie für normal. Erst wenn solche Kräfte besonders stark oder von ungewöhnlicher oder beunruhigender Natur sind, stellt man sie in Frage.«
»Ja, da haben Sie wohl recht.«
Caleb griff in seine Tasche und holte einen Bleistift hervor. »Also gut, nehmen wir an, Mrs Daykin hat ein gewisses Ausmaß an Talent. Was können Sie mir sonst noch sagen?«
»Leider nur sehr wenig. Ich traf sie nur einmal, nachdem sie mich schriftlich um eine Führung gebeten hatte. Sie ist Ende vierzig und nannte sich Mrs Daykin, außerdem entnahm ich einer Bemerkung, dass sie allein über ihrem Laden wohnt.«
Caleb blickte auf. »Wollen Sie damit sagen, dass Sie die Dame für unverheiratet halten?«
Lucinda zögerte und überlegte. »Ich bin nicht sicher. Wie gesagt, war es nur ein Eindruck. Vielleicht ist ihr Mann gestorben, doch trug sie nichts, was auf Trauer hingedeutet hätte. Allerdings sprach sie von einem Sohn. Eine Frau mit einem unehelichen Kind würde sich sehr wahrscheinlich als verheiratet ausgeben.«
»Läuft ihr Geschäft gut?«
»Das kann ich nicht sicher sagen. Ich war nie dort. Aber
sie war gut gekleidet und trug ein ziemlich teuer aussehendes Halsband mit einer Kamee. Ich schätzte, dass sie sehr erfolgreich ist.«
»Sind Sie mit ihr gut ausgekommen?«
»Wir sind nicht eben geistesverwandt«, sagte Lucinda trocken. »Unsere einzige Gemeinsamkeit ist das Interesse an den medizinischen Eigenschaften von Kräutern.«
»Woher hat sie von den Pflanzen in Ihrem Gewächshaus erfahren?«
Überrascht von der Frage, sah Patricia ihn an. »Mr Jones, in der Welt der Botanik kennt man Lucys Sammlung. Es ist nicht weiter verwunderlich, dass eine erfolgreiche Apothekerin davon weiß und die Pflanzen sehen will.«
»Mrs Daykin betreibt ihr Gewerbe offenbar schon länger«, sagte Caleb. Er wandte sich wieder Lucinda zu. »Hat sie schon zuvor mit Ihnen Verbindung gesucht?«
»Nein. Es gab nur diesen einen Besuch.«
»Und der war wann?«, fragte Caleb.
Lucinda zuckte zusammen. »Ich befürchtete, dass Sie das fragen würden. An das genaue Datum kann ich mich nicht erinnern, obwohl ich sicher bin, einen Eintrag in mein Tagebuch gemacht zu haben. Ich kann nur sagen, dass es nicht lange vor Hulseys Besuch war.«
»Haben Sie ihr den Farn gezeigt?«
»Ja, ihn und viele andere Pflanzenarten, von denen ich glaubte, dass eine Apothekerin sie interessant finden würde, doch sie zeigte keine übertriebene Neugierde an Ameliopteris amazonensis.«
Patricia senkte ihre Kaffeetasse. »Könnte ja sein, dass sie ihr Interesse mit Absicht verbarg.«
»Und warum?«, fragte Lucinda.
Ein sonderbares Licht erhellte Calebs Augen. »Weil sie mit Hulsey in Verbindung steht«, sagte er ganz leise. »Sie wusste, dass er sich für Ihren Farn interessieren würde. Tatsächlich zweifle ich nicht daran, dass er sie hierherschickte.«
»Glauben Sie das wirklich?«, fragte Patricia ungläubig.
»Der Zeitpunkt ihres Besuches fällt mit der Zerstörung des Dritten Kreises zusammen. Hulsey war ohne Geldgeber und verzweifelt, weil er seine Traumforschung weiter betreiben wollte. Ich vermute, dass die Daykin sozusagen auf Erkundung war. Vermutlich schickte er sie auf der Suche nach für ihn brauchbaren Kräutern und Pflanzen in mehrere botanische Gärten.« Er sah Lucinda an. »Aber Ihre Sammlung muss für ihn von besonderem Interesse gewesen sein.«
»Warum?«, fragte Patricia.
»Weil Hulsey Mitglied der Society ist«, erklärte Caleb. »Zweifellos war ihm klar, dass Miss Bromleys Eltern nicht beliebige Botaniker, sondern solche mit besonderem Talent waren. Er hatte allen Grund zu erwarten, dass dieses Gewächshaus einige Gattungen mit psychischen Eigenschaften enthalten würde. Erst schickte er die Daykin, damit sie die Pflanzen besichtigt, weil er nicht das Risiko eingehen wollte, selbst hinzugehen. Er muss wissen, dass die Society ihn sucht.«
Lucinda dachte nach. »Nachdem sie berichtet hatte, dass es einen Farn mit psychischen Eigenschaften in meiner Sammlung gäbe, bat er mich um eine Besichtigung, um sich zu vergewissern, ob die Pflanze für ihn von Nutzen war, und um auszukundschaften, wie er sie stehlen konnte.«
Caleb nickte einmal, diesmal war er seiner Sache ganz sicher. »Das kommt der Wahrheit sehr nahe.«
»Was
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