Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman
haben alle Zeit der Welt.«
Sie wusste, was das bedeutete. Vor der Liebe würden sie zusammen speisen, reden, lachen und die Vorfreude auf die körperlichen Genüsse kosten, sodass sie entspannt den Weg in ihren irdischen Himmel gehen konnten. Bald saß er gelassen auf seinem breiten Scherenstuhl mit dem Rücken zum rosa-grünen Kachelofen. Ursula spürte Tränen der Rührung wegen dieses vertrauten und so lang vermissten Anblicks: seine fröhlichen, goldbraunen Augen, der schwere Damasthausmantel, für den sie einst gemeinsam die Stoffe in Mantua ausgesucht hatten, die mit Fell gefütterten Pantoffeln, die sie eigenhändig und passend zum Hausmantel bestickt hatte.
»Du bist sehr schön, mein Herz, und du wärest noch schöner, wenn du keine Tränen in den Augen hättest. Komm doch zu mir, damit ich dich besser bewundern kann.«
Ursulas Anblick, besonders ihre rotblonden, an venezianisches Kupfergold erinnernden Haare, erweckten wieder den Traum von der Serenissima im Herzog. Auf ihrer Italienreise waren sie leider nicht nach Venedig gekommen. Beide hegten seit dieser Zeit eine unstillbare Sehnsucht nach der raffiniertesten aller italienischen Städte. Ludwigs einziger Trost war die Gewissheit, dass selbst Mailand das unvergleichliche Venedig nicht nachzuahmen vermochte, viel weniger also seine Residenzstadt Landshut. Sein Verlangen wurde noch gesteigert durch Ursulas nur für ihn getragenen Kleider nach der Mode der venezianischen Kurtisanen. Diese Bekleidung war besonders gewagt: Ein langes, spitzes Korsett ersetzte das sanfte Mieder der deutschen Damen. Dadurch wirkte der Rockteil aus raschelnder, ziegelroter Seide leichter und voluminöser. Das fasste Ludwig als eindeutige Einladung auf, seine rechte Hand durch die weißen, luftigen Unterröcke auf Entdeckungsreise zu schicken. Doch er hielt sich noch zurück. Denn Ursulas tief geöffnetes Korsett drückte ihre Brüste so nach oben, dass ihre Wölbung und ihre zarten Spitzen, vom gleichen Rosarot wie das Kleid, aus der kurzen Spitzenborte des Dekolletés hinaussahen, ohne dass ein Musselinhemd sie verschleierte.
Ludwig zog seine Geliebte zu sich und setzte sie auf seinen linken Schenkel. Er streichelte behutsam ihre weiche, duftende, immer noch makellose Haut. Seine großen Finger spielten zärtlich sowohl mit den roten, kleinen Früchten in der weißen Spitze als auch mit dem ansehnlichen Rubin an einer feingliedrigen Goldkette zwischen ihnen, auch ein Geschenk während ihrer Reise nach Mantua. Ludwig genoss in vollen Zügen, was sich seiner Hand wie auch seinem Blick anbot: die rosafarbenen Ohrläppchen mit ihren tropfenförmigen Perlen; die feste Haut der runden Halsbeuge; die sein Verlangen weckende Linie ihrer nackten Schultern; ihr empfindsamer Nacken, der unter der Berührung seines Mundes leicht erzitterte; immer wieder das tiefe Tal, das zwischen den perlmuttfarbenen Hügeln zu den köstlichen, himbeerroten Früchten führte. Ursulas Gesicht war von herber, strenger Schönheit, nicht einmal erweicht von genussvoller Erwartung, doch ihr Körper war ein einziger, empfindsamer Garten der Lust. Ludwig spürte, wie ihre Hüften ganz vorsichtig auf seinem Schoß zu kreisen begannen. Er packte sie unmerklich fester, lutschte an dem Rubin, dessen klare Weinfarbe seinen Durst weckte. Sie lockerte die Umarmung und erhob sich.
»Willst du etwas trinken, liebster Freund? Ich habe eine ganz besondere Delikatesse für dich.«
»Eine Delikatesse, die dich übertrifft, meine Taube?«
»Etwas, was meiner und deiner würdig ist, mein Herz.«
Ursula lächelte kokett. Neugierig sah er zu, wie sie den Deckel einer Zinnhenkelkanne hob und dunkelroten Wein in eine kostbare Flügelschale aus venezianischem Glas goss, auch eine Erinnerung an ihre Italienreise. Vorsichtig brachte sie ihm die Schale und hielt sie unter seine entzückte Nase.
»Bei Bacchus und allen Bacchanten, meine Schöne, was ist das?«
»Ein Malvasierwein, wie du ihn liebst, mein Freund. Seit gestern zieht er mit Kubebenpfeffer, Rosenblüten, Zedratzitronen und Nelken. Doch warte, es fehlt noch etwas.«
Aus Ecks Horndose nahm sie ein kleines Stück Ambra, zermalmte es in einem winzigen Marmormörser und löste es im Wein auf. Den so besonderen Geruch erkannte Ludwig sofort.
»Ambra hast du für mich besorgt? Du bist eine Fee, eine Zauberin, eine Göttin.«
»Für dich allein, mein Herz, für unsere Liebe. Koste davon! Ich bringe uns noch etwas zu essen. Es wäre schade, nichts dazu zu genießen.
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