Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman
erschöpft wie selig gleichsam auf einem einsamen Strand zurückließ.
Ursula genoss ausgiebig diesen stillen Frieden. Das Kaminfeuer knisterte leise, ihre verschwitzte Haut kühlte langsam ab und kribbelte dabei leicht, als ob Tausende von winzigen Eisnadeln über sie strichen. Ursulas Gedanken schwebten. Vielleicht würde doch ein Kind aus ihrer Liebe entstehen? Kein legitimer Erbe für das Herzogtum, das war ihr nach so vielen Jahren gleichgültig, sondern einfach ein Zeichen, dass ihre irdische Verbindung mit Ludwig gesegnet war. Nach einiger Zeit wunderte sie sich, dass ihr Geliebter so lang schon schwieg. Das war sonst nicht seine Art. Sie sah zu ihm. Er schlief ruhig, war aber so blass, dass sie sich sorgte und ihn schüttelte. Zu ihrer großen Erleichterung schlug er sofort die Augen auf und suchte nach ihrer Hand.
»Ist dir wohl, mein Herz? War es dir zu viel?«
Er keuchte leise, bevor er antwortete.
»Nein, nein, meine Liebste. Es war herrlich. Du warst herrlich. Nie hätte ich gedacht, noch solche Kraft zu besitzen. Jetzt ist mir ganz schwindlig vor Glück. Dir auch, meine Taube?«
»Ja, mir auch ein wenig, Geliebter. Warte kurz! Wir müssen uns stärken.«
Sie rief nach ihrer Magd, die das alte Tablett mitnahm und ein neues zurückbrachte, beladen mit goldbraunen, eiförmigen Häppchen.
»Vergiss nicht die Brühe, die braucht Seine Hoheit sogleich. Für mich bitte den Beerenwein.«
Bei dessen Anblick kriegte Ludwig wieder Farbe. Seine Mätresse wusste wirklich genau, womit erschöpfte Manneskraft sich erneuerte. Gierig griff er nach einem Ei in seiner hellen Soße, biss die Hälfte ab und staunte nicht wenig.
»Das ist ja kein Ei! Köstlich, gewiss, aber kein Ei.«
Er sah so kindlich enttäuscht aus, dass Ursula lachen musste.
»Nein, mein Freund, das sind falsche Eier. Aber sorge dich nicht, ich habe mich mit Meister Soldani beraten: Diese erfüllen ihren Zweck sogar noch besser. Von Eiern muss man ohnehin in der Fastenadventswoche abraten.« Sie sprach nicht aus, was beide etwas verschämt dachten: nämlich, dass die heilige Mutter Kirche ausgiebige Liebesstunden in dieser Zeit auch nicht befürwortete. »Die sind aus Mandeln gemacht, mithin Samen. Ich habe nur beste weiße Mandeln in Wein eingeweicht und ausgepresst. Wie für eine Mandelmilch. Einen Teil der Masse habe ich mit Safran gemischt, damit seine liebliche Hitze deine Säfte wieder erwärmt. Aus der gelben und der weißen Masse sind dann diese falschen Eier entstanden. Für die Soße habe ich Ingwer fein gerieben und eine Schnitte Weißbrot. Beides habe ich mit Erbsbrühe angefeuchtet, durch ein Tuch geseiht und am Schluss mit Süßwein und Pfeffer abgeschmeckt. Sieh, da sind noch gebackene Oliven, gefüllt mit gehackten Kapern und Artischocken!«
Ludwig verschlang gierig die wohlschmeckenden Köstlichkeiten.
»Pass auf, meine Schöne! Ich verspüre schon wieder meinen Liebesstachel.«
»Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich mich darüber freue, liebster Freund. Trink von dieser edlen Brühe! Sie gibt dir die Jugend wieder.«
»Brühe? Sollte ich nicht besser von dem Ambrawein ein paar Schlucke nehmen?«
Ursulas Augen leuchteten auf wie zwei blaue Flammen.
»Diese Brühe, mein Liebster, enthält noch mehr Ambra. Sie ist dreimal auf- und eingekocht, einmal mit einem Hahn, einmal mit Rebhühnern, einmal mit Wachteln. Der ganze Geist des Ambra fließt dadurch in deine Glieder.«
Der Herzog trank so gierig davon wie aus einem Lebensbrunnen. Die Wirkung ließ nicht lang auf sich warten. Er warf sich auf seine verblüffte Mätresse und drang gerade in sie ein … da brach er ohne einen Schrei oder eine Zuckung über ihr zusammen.
Die herbeigeeilte Magd befreite Ursula mühsam aus ihrer peinlichen Lage. Ebenso panisch wie vergeblich versuchten beide Frauen, den Herzog mit Essig, Riechsalz, kaltem Wasser und heißen Wachstropfen wieder ins Leben zurückzuholen. Als Ludwigs Windhunde so jämmerlich aufheulten, dass die Geliebte des Herzogs fast selbst das Bewusstsein verlor, eilten endlich ungerufen zwei Soldaten ins Schlafzimmer.
16
Anna Lucretia wusste nicht , was mehr Übelkeit in ihr hervorrief: der leblose, halb nackte Körper ihres Vaters in Ursulas Bett, erbarmungslos traktiert von Ulmitzer und seinen Gehilfen? Oder Ursula selbst, glühend vor Scham in ihren Unterröcken und mit Ludwigs Hausmantel um die zitternden Schultern? Die Reste des Liebesmahls? Die verzweifelten Hunde, die immer wieder aus dem Zimmer
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