Summer and the City - Carries Leben vor Sex and the City: Band 2 (German Edition)
Auge blicken muss, und die heißt: Brown University.
Vielleicht wage ich nach dem Studium noch einmal einen Versuch. Stürme mit wehenden Haaren die Stadt der Städte und werde den Erfolg erringen, der mir diesmal versagt blieb.
Aber im Moment bin ich viel zu müde, um auch nur daran zu denken. Wer hätte gedacht, dass es so anstrengend sein kann, achtzehn zu werden?
Mit einem leisen Seufzen schlüpfe in meine Stiefel. So schlecht habe ich mich gar nicht geschlagen. Natürlich habe ich mir hier und da ein paar ordentliche Patzer erlaubt, aber ich habe mich nicht unterkriegen lassen. Wenigstens das.
Auf Zehenspitzen schleiche ich zurück ins Schlafzimmer, um einen letzten Blick auf Capote zu werfen. »Adieu, Liebster«, hauche ich.
Er stöhnt, dreht den Kopf und schlägt die Augen auf. Dann setzt er sich stirnrunzelnd auf und sieht mich an. »Hm, was …?«
»Entschuldige bitte«, flüstere ich und bücke mich nach meiner Armbanduhr, die am Boden liegt. »Ich wollte nur …« Ich zeige auf die Tür.
»Warum?« Er reibt sich die Augen. »Fandest du es nicht schön?«
»Es war wunderschön, aber …«
»Warum willst du dann gehen?«
Ich zucke stumm mit den Achseln.
Er tastet nach seiner Brille, setzt sie auf und blinzelt mich hinter den dicken Gläsern an. »Willst du mir nicht wenigstens das Vergnügen gönnen, dir Frühstück zu machen? Ein Gentleman lässt eine Dame nie ohne Frühstück sein Bett verlassen. Komm, lass mich dich füttern …«
Ich lache. »Ich bin kein kleines zartes Vögelchen, das gefüttert werden muss.«
»Nein, das stimmt, ein Vögelchen bist du sicher nicht«, sagt er grinsend. »Eher eine wilde Tigerin. Komm her.« Er breitet die Arme aus, und ich springe ins Bett zurück und schmiege mich an ihn.
Capote streichelt mir über die Haare und ich kuschle mich an ihn. Er ist weich und warm und riecht nach Mann. Der Geruch ist mir seltsam vertraut. Wie frisch geröstetes Toastbrot.
Lächelnd sieht er mich an und sagt: »Hat dir schon mal jemand gesagt, wie hübsch du morgens aussiehst?«
Gegen zwei Uhr nachmittags schafen wir es zum Frühstücken ins Pink Tea Cup. Ich habe mir eines von Capotes Hemden über die Hotpants gezogen und wir essen Pfannkuchen mit Speck
und echtem Ahornsirup, trinken dazu mindestens fünf Liter Kafee, rauchen wie die Schlote und reden – manchmal plötzlich von einer seltsamen Scheu erfasst, dann wieder mit Feuereifer – über alles und nichts. »Hey«, sagt er, als die Rechnung kommt. »Hast du Lust, in den Zoo zu gehen?«
»In den Zoo?«
»Ich hab gehört, die haben einen neuen Eisbären.«
Plötzlich kann ich mir nichts Schöneres vorstellen, als mit Capote in den Zoo zu gehen. Während der zwei Monate, die ich in New York verbracht habe, habe ich mir keine einzige Sehenswürdigkeit angesehen, jedenfalls nicht bewusst. Weder stand ich auf der Aussichtsplattform des Empire State Buildings, noch bin ich mit der Fähre zur Freiheitsstatue gefahren oder habe einen Spaziergang durch den Central Park gemacht oder mir das Metropolitan Museum angesehen. Ich war noch nicht einmal in der Bibliothek.
Was war ich nur für eine lausige Besucherin? Das hat New York nicht verdient. Eine Tour mit der Circle Line hätte das Mindeste sein sollen.
»Vorher muss ich noch kurz was erledigen«, sage ich.
Ich gehe zu den Toiletten, in deren Nähe ein Münztelefon an der Wand hängt.
Miranda nimmt nach dem ersten Klingeln ab. »Hallo?«, fragt sie mit einer Stimme, die klingt, als würde sie mit schlechten Nachrichten rechnen. So meldet sie sich am Telefon immer. Das gehört zu den Dingen, die ich an ihr liebe.
»Ich habe es getan!«, kreische ich.
»Carrie? Bist du das? Oh mein Gott! Was ist passiert? Wie war es? Hat es wehgetan? War Bernard …?«
»Es war nicht Bernard.«
»Was?«, keucht sie. »Wer war es denn dann? Oh nein, Carrie. Sag, dass das nicht wahr ist. Du hast doch nicht etwa irgendeinen Typen in einer Bar aufgerissen und …«
»Ich habe mit Capote geschlafen«, sage ich stolz.
»Mit … Capote?« Ich kann förmlich hören, wie ihr die Kinnlade herunterfällt. »Ich dachte, du hasst ihn.«
Ich werfe Capote, der gerade lässig ein paar Dollarscheine auf den Tisch wirft, einen Blick zu. »Jetzt nicht mehr.«
»Aber was ist mit Bernard?«, fragt sie fassungslos. »Du hast doch immer gesagt, dass er der Richtige ist.«
»Es gab eine kurzfristige Kursänderung«, sage ich hastig, als ich sehe, dass Capote aufsteht. »Bernard hat es nicht
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