Summer and the City - Carries Leben vor Sex and the City: Band 2 (German Edition)
von der Liege hebe. Einen Moment lang stehen wir uns wortlos gegenüber, dann drücke ich sie zum Abschied kurz an mich. Als ich sie wieder loslasse, schnürt es mir vor Angst beinahe die Luft ab, gleichzeitig ist mir klar, dass ich auf keinen Fall bleiben kann.
L’il scheint da anderer Meinung zu sein. Sie folgt mir die Treppe hinunter und versucht mich dazu zu überreden, noch einmal mit Peggy zu sprechen. »Bitte, Carrie. Du weißt doch gar nicht, wo du jetzt hinsollst.«
»Mach dir keine Sorgen, L’il. Mir wird schon was einfallen«, beteure ich mit gespielter Zuversicht und halte ein vorbeifahrendes Taxi an.
»Carrie! Tu’s nicht«, fleht L’il ein letztes Mal, als ich meinen Kofer und die Schreibmaschine auf die Rückbank hieve.
»Wohin soll’s denn gehen?«, fragt der Fahrer und dreht sich in seinem Sitz zu mir um.
Ich schließe die Augen und verziehe gequält das Gesicht.
Dreißig Minuten später stehe ich in strömendem Regen vor Samanthas Haustür und frage mich, was ich mir nur dabei gedacht habe.
Sie ist nicht da. Natürlich nicht. Wahrscheinlich übernachtet sie bei ihrem Verlobten Charly. Und mein Plan B – nämlich Bernard zu bitten, mich aufzunehmen – hat sich ebenfalls zerschlagen, weil mein Geld gerade mal für diese eine Taxifahrt gereicht hat.
Ich bin nass bis auf die Haut, völlig ratlos und verzweifelt und versuche meine Panik in den Grifzu bekommen, indem ich mantraartig »Alles wird gut. Alles wird gut. Alles wird gut« vor mich hin murmle. Um mich zu trösten, stelle ich mir vor, wie der Regen die Second Avenue überflutet und Peggy mit sich reißt.
Plötzlich kracht ein lauter Donnerschlag über mich hinweg und der Regen verwandelt sich in eisigen Hagel. Auch das noch.
Meinen Kofer hinter mir herschleifend, mache ich mich schnell auf die Suche nach einem Platz, wo ich mich unterstellen kann, und entdecke auf der anderen Straßenseite einen kleinen Kiosk, in dem noch Licht brennt. Erleichtert laufe ich hinüber, ziehe die Tür auf und flüchte mich ins Trockene.
Ich bin so durchnässt, dass sich zu meinen Füßen sofort eine kleine Wasserlache bildet, aber den Kioskbesitzer, ein gemütlicher glatzköpfiger Mann mit rotem Gesicht, der mir hinter seinem Verkaufstresen freundlich entgegenblickt, scheint es nicht weiter zu stören. »Was darf es denn sein, Kindchen?«, fragt er.
Zitternd vor Kälte schaue ich mich in dem winzigen Ladenraum um. »Wie viel kostet ein Hershey’s-Riegel?«
»Fünfundzwanzig Cent.«
Ich lege den Riegel auf den Tresen und krame einen Vierteldollar aus der Tasche. Als ich die Schokolade auspacke, stelle ich fest, dass sie weiß angelaufen ist, also schon ziemlich alt sein muss. Sofort überfällt mich Mitleid mit dem Kioskbesitzer, dessen Geschäft nicht besonders gut zu laufen scheint. Ich frage mich, wie er es schafft, zu überleben.
Und dann frage ich mich, wie ich überleben soll. Was mache ich, wenn Samantha heute tatsächlich nicht mehr nach Hause kommt? Aber an so etwas darf ich gar nicht erst denken. Sie muss einfach kommen. Ich schließe die Augen und sehe sie vor mir, wie sie nachsichtig den Kopf schüttelt und sagt: »Gott, du bist wirklich ein Küken.«
Traurig blicke ich in den Regen hinaus, als auf der anderen Straßenseite plötzlich ein Taxi hält und Samantha aussteigt. Ihre Aktentasche an die Brust gedrückt, bleibt sie einen Moment lang stehen und wirkt völlig mutlos. Irgendwie habe ich den Verdacht, dass das nicht nur an dem scheußlichen Wetter liegt.
»Samantha!« Ich reiße die Tür auf und stürze, meinen Kofer hinter mir herzerrend, auf sie zu. »Samantha. Gott sei Dank!«
»Carrie?«, ruft sie überrascht und wischt sich den Regen vom Gesicht. »Was machst du denn hier?«
»Ich … Ich wollte dich fragen …«, stammle ich und fühle mich auf einmal ganz schrecklich, weil ich sie schon wieder um Hilfe bitten muss.
»Du bist aus deiner Wohnung geschmissen worden, stimmt’s?«, sagt sie.
Ich sehe sie erstaunt an. »Woher weißt du das?«
Sie lacht und deutet auf meinen Kofer. »Warum solltest du sonst mit deinem gesamten Gepäck völlig durchnässt nachts vor meiner Haustür stehen? Ach, Küken. Was mache ich bloß mit dir?«
8
»Hurra! Du lebst noch!« L’il kommt die Stufen vor der New School heruntergerannt und umarmt mich stürmisch.
»Was hast du denn gedacht?«, sage ich, als würde ich ständig aus irgendwelchen Wohnungen geschmissen.
»Ich habe mir solche Sorgen gemacht.« Sie tritt einen Schritt
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