Summer and the City - Carries Leben vor Sex and the City: Band 2 (German Edition)
zurück. Zerschlissene blaue Kunstlederbezüge. Ich, zwischen den Knien der anderen auf der klebrigen Bodenmatte kauernd, während der Taxifahrer verzweifelt protestierte: »Nicht mehr als vier Fahrgäste. Nicht mehr als vier!« Eigentlich waren wir zu sechst, aber Samantha versicherte ihm glaubhaft, dass wir nur vier seien. Hysterisches
Gelächter. Danach der wankende Aufstieg in die fünfte Etage. Wieder laute Musik, Telefongeklingel, ein Mann, der Samanthas Make-up-Kofer aus dem Bad holte, sich schminkte und … Filmriss. Irgendwann muss ich mich auf der Futon-Couch zusammengerollt haben und eingeschlafen sein.
Ich stehe auf und schleiche, vorsichtig den überall herumstehenden Kartons ausweichend, auf Zehenspitzen in den schmalen, dunklen Flur hinaus. Samantha zieht in den nächsten Tagen zu ihrem Verlobten und in ihrem Apartment herrscht entsprechendes Chaos. Die Tür zu ihrem kleinen Schlafzimmer steht ofen, das Bett ist zerwühlt, aber leer. Der Boden ist mit Schuhen und Klamotten übersät, als hätte jemand jedes einzelne Stück aus dem Kleiderschrank gezogen, anprobiert und danach achtlos fallen lassen. Ich wate durch ein Meer aus verstreut liegenden BHs und Slips ins Badezimmer, steige in die altmodische Wanne und stelle die Dusche an.
Erster Punkt auf meiner To-do-Liste: versuchen, die Adresse meiner Vermieterin herauszufinden, ohne meinen Vater anrufen zu müssen.
Mein Vater. Mir wird vor lauter schlechtem Gewissen ganz übel.
Es war so viel los gestern, dass ich einfach nicht dazu gekommen bin, mich bei ihm zu melden. Bestimmt ist er schon krank vor Sorge. Und wenn er George angerufen hat, um sich nach mir zu erkundigen? Oder meine Vermieterin? Womöglich werde ich bereits von der Polizei gesucht – ein weiteres Mädchen, das spurlos im Moloch New Yorks verschwunden ist.
Ich beschließe, mir erst einmal die Haare zu waschen. Im Moment kann ich sowieso nichts tun.
Vielleicht will ich es ja auch gar nicht.
Als ich fertig bin, steige ich aus der Wanne, beuge mich übers
Waschbecken und warte, bis der vom heißen Wasserdampf beschlagene Spiegel allmählich den Blick auf mein Gesicht freigibt.
Ich sehe immer noch genauso aus wie gestern. Aber ich fühle mich anders. Verdammt anders.
Mein erster Tag in New York!
Ich laufe zum Fenster, presse die Hände an das Glas und blicke auf das Häusermeer hinunter wie ein Kind, das fasziniert in eine riesige Schneekugel starrt. Dann schiebe ich das Fenster nach oben und atme tief die kühle Morgenluft ein. Der Verkehrslärm erinnert an das ferne Rauschen von Wellen, die an Felsen branden.
Ewig stehe ich so da und beobachte, wie unter mir die Stadt allmählich zum Leben erwacht. Als Erstes kommen die Wagen der Müllabfuhr und der Straßenreinigung. Schwerfällig wie Dinosaurier rumpeln sie vorbei, sperren ihr Maul auf, um mit dem Abfall der Stadt gefüttert zu werden, oder fegen mit ihren struppigen Barthaaren den Asphalt. Dann setzt allmählich der normale Verkehr ein: ein einsames Taxi fährt die Straße entlang, ein silberner Cadillac, danach folgen Lieferwagen, auf denen die Logos von Fisch- oder Blumenhändlern prangen, klapprige Kombis, in denen Brot ausgeliefert wird, sowie eine ganze Parade von Handwagen. Ein Junge in einem weißen Kittel tritt in die Pedale seines Fahrrads, auf dessen Gepäckträger zwei Kisten mit Orangen geschnallt sind. Das verwaschene Grau des Himmels färbt sich langsam weiß. Ein Jogger kommt die Straße entlanggelaufen, kurz darauf ein zweiter. Ein Mann in blauer OP-Kleidung winkt hektisch nach einem Taxi. Drei kleine Hunde zerren eine ältere Dame auf dem Gehsteig hinter sich her, während die Ladenbesitzer quietschend die Gitter vor ihren Geschäften hochkurbeln. Immer mehr Sonnenstrahlen tasten
sich um die Häuserecken und schließlich quillt ein Strom von Menschen aus den dunklen U-Bahn-Schächten ans Licht. In den Straßen schwillt der Verkehrslärm an. Presslufthämmer knattern. Irgendwo erklingt Musik. Hunde bellen. Sirenen heulen. Es ist acht Uhr morgens.
Zeit für mich, in die Gänge zu kommen.
Ich suche meine rings um den Futon verstreuten Habeseligkeiten zusammen. Unter den Kissen entdecke ich einen aus einem Skizzenblock herausgerissenen Fetzen Papier, dessen Ränder so zerknittert sind, als hätte ich ihn mir die ganze Nacht an die Brust gedrückt. Mit klopfendem Herzen betrachte ich die in gestochener Schönschrift darauf notierten Zifern. Bernards Telefonnummer. Auf der Party hat er sie mit großer Geste
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