SUMMER DAWN (Sommerdämmerung) (German Edition)
ermittelt, nie hat jemand unangenehme Fragen gestellt. Wir gerieten nie ins Visier irgendwelcher Ermittler, aber wir hatten natürlich auch entsprechende Weisungen unsere Köpfe tief zu halten.
Wir stellten keine Fragen zu den Aufträgen, wir haben sie einfach ausgeführt. Schnell und eiskalt. Überall auf der Welt. In Kriegsgebieten, in abgelegenen Gegenden – meist aber in friedlebenden Städten. In Uniform oder in Zivil. Schmutzige Arbeit. Zu schmutzig wohl für manche Nachrichtendienste oder staatliche Militärs. Wir wussten allerdings nie, wer unsere Auftraggeber waren oder woher der Job kam.»
«Phew. Und bei der Einheit ist Carl jetzt?»
«Hundert Punkte.»
«Aber wieso das alles? Das ist doch Wahnsinn!»
«Ich glaube, es hatte was mit einer Frau zu tun, hier in Paris. Auch eine Zeitungstante. Sie hatte vor ihm Nachforschungen angestellt. Ist umgekommen. Autounfall, Fahrerflucht. Vielleicht hat sie irgendwo oder durch irgendwen rausgefunden, wer ich bin und wo ich lebe. Und Carl hat später ihre Aufzeichnungen gelesen.»
Julie.
«Du meinst sie musste sterben, weil sie zuviel wusste und darüber eine Story verfassen wollte?»
«Jep! So sah es zumindest Carl. Sie hatte ihre Arbeit vor ihm geheimgehalten, er hat die Dokumente erst nach ihrem Tod entdeckt. Carl und sie hatten eine geheime Liaison gehabt, schwer verliebt, hatten Pläne. Sie war damals noch in einer Beziehung gewesen, die sich dem Ende zuneigte. Deshalb war Carl davon ausgegangen, dass die Mörder von Julie nichts von seiner Existenz wussten.»
«Ich hatte bei meiner Übernachtung in Carls ehemaligem Apartment ungebetene Gäste, und die wollten mir bestimmt keine Blumen bringen. Ein riskantes Spiel mit hohen Einsätzen, welches Carl da am Laufen hatte.»
«Das kannst du laut sagen. Solltest du aber nicht. Die Typen sind zu allem fähig. Im Vergleich dazu ist mein kleiner Klaps an deine Birne heute ein Nasenstäuber. Nimm’s mir nicht übel.»
«Wird schon wieder! Aber wieso hatte ich nächtlichen Besuch in Paris, wenn die nicht wissen, wer Carl ist und was er vorhat?»
«Frag mich was Leichteres! Vielleicht ist was vorgefallen, was ihre Aufmerksamkeit erregt hat, und sie haben das Umfeld Julies nochmal genauer unter die Lupe genommen. Oder sie haben irgend nen Hinweis erhalten. Die Taktiker an den Schalthebeln dieser mächtigen menschlichen Lenkwaffen sind nicht auf den Kopf gefallen. Vielleicht haben sie irgendwen ausgequetscht, bedroht oder was auch immer.»
«Aber die können doch nicht einfach willkürlich Leute umlegen!»
«Säubern! So nennen die das. Jeder, der irgendwie mit drinhängt, wird genau beobachtet, daran wird abgewogen. Und dann entweder links liegen gelassen, ruhiggestellt oder umgelegt. Und glaube mir, es schaut immer nach einem zufälligen Überfall oder einem Unfall aus. Die wissen, wie und wann sie sowas anpacken müssen. War ja selbst ein paar Mal dabei. War reines Glück, dass ich denen entkommen konnte. Hatte den Vorteil, dass ich weiß, wie sie vorgehen. Zwei Asse in meiner Hand.»
2
Tonys Gedanken drehten sich im Kreis. Er fühlte sich machtlos. Elend. Es war spät geworden.
Vince schien nicht in der Stimmung, um mit weiteren Einzelheiten herauszurücken.
Söldner? Sondereinheiten? Das wird ja immer schöner!
Er brauchte einige Minuten, um das Gehörte halbwegs zu verdauen.
«Morgen erzähl ich dir mehr, war ein langer Tag», waren Vinces letzte Worte gewesen, ehe er still an seiner Selbstgedrehten zog und den blauen Rauch tief inhalierte.
Nach einer Weile ergriff Tony das Wort. «Würdest du mir helfen, Carl zu finden? Ich kann dich gut bezahlen für deine Dienste.»
«Werde drüber nachdenken. Brauche dringend Kohle, so gesehen wär’s was. Gebe dir morgen Bescheid. Zurück zum Rummelplatz kann ich wohl nach meinem Abgang heute nicht mehr.» Er gähnte.
«Kann ich hier in der Gegend ein Taxi kriegen?» Tonys Frage schien in Vinces Ohren in etwa so zu klingen wie eine Erkundung nach einem luxuriösen Day-Spa mit Kokos-Crème-Gesichtsbehandlungen und Hamam. Vince grinste.
«Ein Taxi? Nö, hier fährt kein Taxi her, die scheißen sich alle in die Hosen. Kein Wunder bei dem Gesindel überall. Aber um die Ecke gibt’s ’ne Métro. Ein Wunder dass dich der Typ hier in der Nähe überhaupt abgesetzt hat, als du hergekommen bist.»
Vince streckte sich in seinem Sessel, eher er fortfuhr.
«Hör zu! Komm doch morgen Mittag nochmal her! Dann gehen wir ’nen Kafta fressen. Ich lad
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