SUMMER DAWN (Sommerdämmerung) (German Edition)
altmodische Brille verrutschte dabei leicht, sie rückte sie mit dem Zeigefinger zurecht. Die Frau teilte Takeda auf dessen Anfrage hin mit einem Ausdruck der Verwunderung mit, dass ein Zimmer im obersten Stock frei wäre. Ihre Frage, ob er denn schonmal hier gewesen sei, dass er nach dem Zimmer frage, ignorierte er gekonnt.
Takeda buchte das Zimmer, bezahlte in bar für zwei Nächte und machte sich mit dem Schlüssel in der Hand auf den Weg nach oben. offenbar verfügte das Hotel noch über keines der modernen elektronischen Schlüsselsysteme mit Key Cards.
Im Zimmer inspizierte Takeda das kleine Bad mit Toilette, alle Schränke und möglichen Verstecke. Im Zimmer selbst war nichts zu finden, was auf eine Hinterlassenschaft hindeutete. Er widmete sich dem Balkon. Er lehnte sich an das rostige Eisengeländer und blickte hinauf auf das Dach. Kurze Zeit später hatte er eine Route gefunden, welche via eine Handvoll Ziegelstein-Vorsprünge und hervorstehende Blechelemente hinauf auf das Dach führte.
Ohne Anstrengung wuchtete Takeda seinen Körper über die Brüstung und richtete sich auf.
Der Ausblick war tatsächlich beeindruckend. Das Dach des sechsstöckigen Hotels war flach. Die teerschwarze Fläche war nur von ein paar wenigen Kaminen und Mäuerchen durchsetzt.
Takeda holte seine kleine Taschenlampe aus der Hosentasche und suchte die Umgebung nach Hinweisen ab. Es fanden sich etliche hingekritzelte Namens-Paare an den Bachsteinen der kniehohen Stützmauern, was auf regelmäßige Besuche dieses Ortes von irgendwelchen Verliebten hinwies.
Vielleicht hat jemand den Ort als Geheimtipp auf irgend einer Website veröffentlicht. Hoffentlich nicht!
Takeda fand an einem Mauervorsprung nahe des Dachblechs, über welches er auf das Dach gelangt war, wonach er Ausschau gehalten hatte. Eine in den Backstein geritzte Inschrift.
«audaces fortuna iuvat»
Takeda berührte das Mauerelement. Der Backstein mit den Lettern darauf hatte ein wenig Spiel und ließ sich leichterhand aus der Mauer ziehen. Takeda leuchtete in die Nische hinein, welche entstanden war.
Nichts. Vielleicht ist mir jemand zuvorgekommen.
Takeda nahm den Backstein in die Hand und drehte ihn in das Licht seiner Taschenlampe. Auf der Rückseite war eine zweite Botschaft eingeritzt. Takeda kniff die Augen zusammen: «628 - Abfluss.»
Er legte den Stein zurück in die Nische und machte sich an den Abstieg.
3
Die Residence Cap De Mer lag ruhig in der Abendsonne. Die Luft war tropisch warm. Havering öffnete die Tür zu dem Apartment, wo er bis vor einer Woche auf Einladung des weißrussischen Unterweltkönigs Kranyek gehaust hatte.
Es war kurz nach 20 Uhr.
Eine leichte Abendbrise zog über den Hügel, von wo man die Bucht von Nizza überblicken konnte.
Nach reichlicher Diskussion mit Tony und Natalia im Verlauf des Tages waren sie zum Schluss gekommen, dass sie nicht umhin kamen, am letzten Aufenthaltsort, den Kranyek von ihnen kannte, nach einer Nachricht von ihm zu suchen. Sie hatten alle seine Wünsche nach Gefälligkeiten erfüllt. Bald würde sich zeigen, ob der Weißrusse zu seinem Wort stand.
Havering löste sich von seinen Gedanken und konzentrierte sich auf sein Vorhaben. Er hatte seine Schlüsselkarte während der ganzen Zeit in seiner Brieftasche aufbewahrt. Ferner hatte er Tonys, Natalias und Vinces Karte dabei, damit er sich auch in deren Apartments umschauen konnte. Auch Naoto hatte ihm seine Karte dagelassen, obwohl dieser bereits in der Nacht nach der Befreiungsaktion seine Sachen aus der Residenz geholt hatte.
Schon ein merkwürdiger Kerl, dieser Naoto. Aber ein eiskalter Profi, so viel steht fest. Und ziemlich versessen auf seine sieben Sachen.
Havering hatte sich zum Zweck seiner Stippvisite im Cap De Mer als alter Mann verkleidet, um unerkannt in die Überbauung gelangen zu können. Das Areal bestand aus fünf verwinkelten Gebäuden mit je 20 Appartements.
Das Passieren der Rezeption war kein Problem gewesen. Am Gehstock gehend, gemächlich schlurfend, hatte er keinerlei Aufsehen erregt. Aus reiner Vorsicht hatte er eine kleine Runde in der Parkanlage zwischen den Apartment-Häusern gedreht. Er war zu seinem Zielort abgebogen und hatte sich kurz auf eine der Holzbänke in der parkähnlichen Gartenanlage im Innenhof gesetzt.
Außer einer Frau mittleren Alters in Geschäftskleidung, welche gerade von der Arbeit zurückgekehrt war, und einem Mann um die dreißig mit Sporttasche, der das Areal
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