Summer Westin: Todesruf (German Edition)
ein Kampf es gewesen war, den Bären in den Käfig zu bugsieren. Ob Chase es wohl seltsam finden würde, wenn sie ihm erzählte, dass es Spaß gemacht hatte?
Mit der Spitze seines Zeigefingers fuhr er sanft über den blassen rosa Strich, den eine von Raiders Klauen hinterlassen hatte. Das angenehm erregende Gefühl, das er damit auslöste, breitete sich rasch in empfindlichere Teile ihres Körpers aus. Wie sehr würde ihr Mund wohl schmerzen, wenn sie dem FBI-Agenten einen Zungenkuss gab?
»Mein wildes Weib«, murmelte er. »Hast du immer noch nicht gelernt, den Biestern genügend Beruhigungsmittel zu verpassen? Ich werde nie vergessen, wie ich mich letztes Jahr auf deinen Berglöwen setzen musste.«
Mein wildes Weib? Warum mussten Männer Frauen immer besitzen? Wieso hatte auch Chase diese typisch männliche Einstellung? »Die richtige Dosis an Beruhigungsmitteln lässt sich bei wilden Tieren nicht exakt bestimmen. Lieber habe ich am Ende ein paar Kratzer als ein totes Tier.« Das kam eisiger heraus als geplant.
Sein Gesicht verdüsterte sich, und er zog die Hand zurück. Klasse. Jetzt hatte sie seine Gefühle verletzt. Sie brauchte wirklich mehr Übung mit dieser Mann-Frau-Beziehungsdynamik. Noch immer kam sie sich wie eine Idiotin vor, wenn sie daran dachte, wie ihr früherer Freund, der Nachrichtensprecher Adam Steele, sie für seine Karrierepläne benutzt hatte. Und jetzt beschlich sie die Angst, sich auch in Chase Perez zu irren. Außerdem war es schwer, sich eine gemeinsame Zukunft vorzustellen, wenn sie sich nur ein paarmal im Jahr trafen.
Sie fühlte sich nicht ganz wohl in ihrer Haut und wandte sich wieder dem geschwärzten Wald zu. Joe und ein weiterer Ranger mussten irgendwo dort draußen sein; auf dem Parkplatz hatten zwei Pick-ups des National Park Service gestanden.
Glücklicherweise nahm Chase das Gespräch über die Tierwelt wieder auf. »Schwarzbären sind nicht vom Aussterben bedroht, oder?«
»Noch nicht.« Gib der menschlichen Rasse nur genug Zeit, dachte sie bitter, dann sind alle wilden Tiere vom Aussterben bedroht.
»Ist jetzt Jagdsaison für Bären?«
»Nein.« Aber an der Olympic Coast würde sie in einer Woche beginnen. Toll – noch mehr bewaffnete Männer in den Wäldern. Da kam Freude auf. »Wilderer haben das ganze Jahr Saison«, fügte sie hinzu.
Er nickte. »Floriert das Gallenblasengeschäft immer noch?«
»Ja. Die Chinesen stellen nach wie vor Medizin daraus her, zahlen auch nach wie vor eine Menge Geld dafür.« Sie zog einen Flunsch. »Für Bärenpfoten ebenfalls. Reiche Asiaten essen sie bei besonderen Gelegenheiten, zum Beispiel bei Hochzeiten.« Sie konnte sich Raider nur zu gut aufgeschlitzt und in Stücke zerlegt vorstellen. Ein schrecklicher Gedanke. Beinahe hätte sie den Kopf geschüttelt, konnte sich aber gerade noch bremsen.
»Hier wird es keine Bärenjagdsaison geben«, sagte sie. »Das hier ist mein Gebiet.«
Er sah sie überrascht an.
»Also jetzt ist es mein Gebiet«, erklärte sie. »Im Nationalpark sind wilde Tiere geschützt. Das ist einer der Gründe, weshalb wir die Straße verbarrikadiert haben: damit ich meine Untersuchung machen kann und wir eine Übergangszeit haben, in der die üblichen Nutzer begreifen, dass in dieser Gegend nicht mehr gejagt oder mit SUVs rumgefahren werden darf.«
»Das muss die ganz schön ärgern.«
»Da hast du recht. Und es hält auch nicht alle ab.« Sie erzählte ihm von dem bewaffneten Eindringling, auf den sie gestoßen war.
Er runzelte die Stirn. »Klingt wie dieser Jagdführer in Utah – der, den wir unter die Lupe genommen haben, nachdem dein Freund Kent angeschossen wurde? Ferguson, so hieß er doch?«
»Buck Ferguson.« Schon wenn sie seinen Namen aussprach, stieg ihr Blutdruck. Zu Hause in ihrem Büro hatte sie sein Foto auf eine Dartscheibe geklebt. »Hier oben gibt es eine Menge Typen wie ihn. Hast du mal was über die Fleckenkauz-Kontroverse in den 80er-Jahren gehört?«
»Klar. Gesetze zum Schutz der vom Aussterben bedrohten Tiere haben die Wirtschaft vor Ort in den Ruin getrieben. Das gab es nicht nur im Nordwesten.«
»Hier haben sich vor allem die Holzfäller aufgeregt. Ein Restaurant in Forks hat jeden Freitag einen Fleckenkauz-Grillabend veranstaltet.«
»Klingt nach Provokation.«
»Es war natürlich nur Hähnchen.« Sie seufzte. »Die wenigsten haben schon mal einen Fleckenkauz zu Gesicht bekommen.« Auch sie wartete noch darauf, mal einen Blick auf ein Exemplar erhaschen zu können.
Chase
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