Summer Westin: Todesruf (German Edition)
Seltenheit. Aber nach meiner Kenntnis haben die Drohungen seit den Berichten über die bevorstehende Wildlife-Konferenz zugenommen.«
»Wildlife-Konferenz?«
»Eine Konferenz für staatliche Angestellte und Umweltgruppen, dieses Jahr liegt der Schwerpunkt auf vom Aussterben bedrohten Tierarten. Dass ich in den Nachrichten erwähnt wurde, hat die Sache vermutlich auch nicht besser gemacht.«
»Du? Wieso du?«
Sie seufzte. »Unverschämt, wie er nun mal ist, hat dieser Typ vom Edge einfach behauptet, ich würde bei der Konferenz sprechen. Daraufhin haben sie in den Nachrichten ein Foto von mir gezeigt und einen Bericht über die Zach-Fischer-Geschichte vom letzten Jahr gebracht.«
»Du sprichst auf einer staatlichen Wildlife-Konferenz?«
Sie zog eine Schnute. »So überrascht musst du nun auch wieder nicht klingen, Chase. Ich mache durchaus was her, wenn ich will.«
»Natürlich tust du das.«
Sie starrte ihn an. Wollte er damit andeuten, dass sie das öfter versuchen sollte?
Er bemerkte ihren Blick. »Ich meine, das tust du doch immer. Was hermachen, wollte ich sagen.«
Sie lachte über seinen Rückzieher. »Um Himmels willen, du musst nicht höflich zu mir sein. Wenn wir uns sehen, schwimme ich meistens entweder im Dreck oder habe eine Naht im Gesicht oder die Hälfte meines Haars ist angesengt.«
»Willst du etwa behaupten, das wäre nicht normal für dich?«
Sam schnaubte verächtlich.
»Ich wusste nur nicht, dass du auch Vorträge hältst«, versuchte er zu erklären.
Sam seufzte. »Leider ist das das einzige Angebot, das ich im Anschluss an mein Rumstiefeln im Wald, wie du das nennst, bekommen habe.«
Als sie den Parkplatz erreicht hatten, holte Sam Lisas Bibel und ihren Zeichenblock aus dem Pick-up und reichte sie Chase. »Gib das an denjenigen weiter, der an Lisas Fall arbeitet.«
Chase sah sie fragend an. »Wie bist du …«
»Die Unterkunft, schon vergessen? Ich schlafe in Lisas Bett. Und ja, ich habe ihre Sachen durchsucht. Ich hätte nie gedacht, dass das vielleicht mal Beweisstücke werden könnten. Ich wollte sie ihr ins Krankenhaus bringen, und dann habe ich erfahren …« Lisa Glass. Sie ist tot.
»Hast du irgendwas Interessantes gefunden?«
Sie musste ein paarmal schlucken, bevor sie weiterreden konnte. »Die Widmung in der Bibel heißt: ›Von deiner dich liebenden Familie‹. Was mir seltsam vorkommt, schließlich hat man noch keine Verwandten auftreiben können. Außerdem liegt ein Zettel drin, mit Adressen in Wyoming und Seattle.«
»Das könnte vielleicht weiterhelfen.«
»Hoffentlich. Die Zeichnungen auf dem Block zeigen überwiegend den Wegetrupp. Auf einen Jungen schien sie sich ganz besonders eingeschossen zu haben, Ben Rosen.«
Chase zog die Nase kraus. »Du denkst, das ist irgendwie von Bedeutung?«
»Ich weiß es nicht.« Sie kaute auf ihrem Daumennagel herum. »Ben hat olivfarbene Haut und schwarzes Haar, und Lisa hat einen ihrer Angreifer als dunklen Mulatten bezeichnet.«
»Mulatte? Wer benutzt denn ein Wort wie Mulatte?«
»Seltsam, nicht wahr? Es klingt so altertümlich. Und Lisa war erst 19.«
»Vermutlich hat sie das irgendjemandem nachgeplappert.« Er streckte seine olivfarbene Hand aus und betrachtete sie. »Dann bin ich also ein Mulatte? Bohnenfresser hat man mich schon genannt und Rothaut, und einmal hat man mich sogar als Kubaner beschimpft …«
»Wieso, Mulatte ist doch schön.« Sie nahm seine Hand und presste sie gegen ihre Wange. »Ich habe Ben Rosen nur erwähnt, weil er dunkelhäutiger ist als der in dieser Gegend übliche skandinavische Typ. Außerdem arbeitet er beim Wegetrupp, ist also nicht gerade ein unbeschriebenes Blatt. Dazu kommt, dass Lisa eine Zeichnung gemacht hat, die ihm ziemlich ähnlich sieht. Vielleicht wollte sie mir damit sagen, dass Ben an dem Verbrechen beteiligt war – worin das Verbrechen auch immer bestanden hat.«
»Ich werde ihn überprüfen.« Chase legte die Sachen, die sie ihm gegeben hatte, auf den Beifahrersitz seines Mietwagens und nahm Sam in den Arm. »Ich will dich nicht hierlassen, bei all dem, was hier vor sich geht. Komm mit.«
Sollte das ein Witz sein? Sie machte sich los. »Zu einer FBI-Besprechung in Seattle?«
»Ich hatte mehr an das Hotel hinterher gedacht.«
Wirklich? Klang ein bisschen anrüchig, aber auch verlockend. »Kannst du mir versprechen, dass es hinterher ein Hotel gibt?«
Chase zögerte. Vermutlich fragte er sich, ob man ihn nach der Besprechung eventuell woanders hinbeordern würde.
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