Summer Westin: Todesruf (German Edition)
hellen Fleck, der zwischen den dunklen Stämmen aufflackerte. Eine Taschenlampe. Irgendjemand spazierte in der Nähe der Lucky Molly Mine herum.
17
Chase, der in seinem Einzelabteil im FBI-Büro in Seattle saß, fuhr seinen Laptop hoch. Ein langer Tag lag hinter ihm, voller Besprechungen und Notizenabgleich. Inzwischen war es beinahe Mitternacht, und erst jetzt kam er dazu, die letzten Berichte seines Falls einzugeben. Auf der anderen Seite der gepolsterten blauen Abteilwand hörte er Nicole auf ihre Tastatur einhämmern. Sie überprüfte gerade, was bei anderen Raubüberfällen an Beweisen gesichert worden war. Chase rief Google auf und gab Eminen10 ein, das mysteriöse Wort, an dem er vor zwei Tagen hängen geblieben war. Auf dem Bildschirm tauchte eine Liste von URLs auf, vermutlich deutschen Inhalts, in denen Wörter, die Eminen10 ähnelten, hervorgehoben waren.
Am Ende der Liste stand eine URL ohne Inhalt, www.poeagle.de . Als er den Link anklickte, erschien auf dem Bildschirm ein Video, in dem ein kahlköpfiger Adler vor dem Hintergrund der rot-weiß-blauen amerikanischen Flagge dahinflog. Nette Animation, aber was sollte das Ganze? Und was hatte es mit Eminen10 zu tun? Die einzigen Worte auf dem Bildschirm lauteten: »Lasst uns die Freiheit einläuten!«
Chase klickte auf die Mitte des Monitors, dann auf die Wörter, und bewegte schließlich den Cursor über die gesamte Seite, um zu sehen, ob sich irgendwo in der Grafik eine Stelle befand, von der aus man auf eine weitere Seite kommen konnte. Eine solche Stelle musste winzig sein. Er versuchte es mit dem Auge des Adlers und gratulierte sich zu seiner Intelligenz, als sich eine neue Seite auftat. Sie zeigte drei waagerechte Balken, in die so etwas wie ein Meilenzähler eingebaut war. Der obere Balken trug den Titel: »Diesjährige Profite der erfolgreichsten US-amerikanischen Firmen«. Die Zahl in dieser Zeile veränderte sich so schnell, dass Chase sie kaum erfassen konnte. Die Ziffern im zweiten Balken, der den Titel »Anzahl der von Armut betroffenen US-amerikanischen Bürger« trug, liefen etwas langsamer, der Betrag erhöhte sich aber ebenfalls kontinuierlich. Und die Summe im untersten Balken – »Im Ausland ausgegebene US-Dollar« – wuchs fast so schnell wie die Summe in der Zeile mit den Profiten.
In der rechten unteren Ecke befand sich ein kürbisfarbenes Viereck mit den Worten: »Im Bilde? So machen Sie Geld. Bewerben Sie sich jetzt für einen Eminen10-Zuschuss«.
Eminen10, endlich! Begeistert klickte Chase das orangefarbene Viereck an. Zum dritten Mal veränderte sich der Bildschirm. Chases Enthusiasmus erhielt jedoch gleich einen Dämpfer, als der Hinweis »Nur für Mitglieder« erschien, gefolgt von Kästchen für Name und Passwort. Er versuchte es zweimal auf gut Glück, und beim dritten erfolglosen Versuch tauchte eine Warnung auf: »Das hier ist kein Spiel. Sie sind jetzt als Eindringling gespeichert. Wenn Sie es noch mal versuchen, werden Sie es bereuen.« Chase hatte die Worte kaum zu Ende gelesen, als aus den Lautsprechern ein Geräusch wie von einer Explosion kam und der Bildschirm grau wurde.
» Chingada suerte! «, fluchte er.
Nicole kam um die Abteilwand herum. »Hast du was Interessantes gefunden?«
»Ich mache Fortschritte«, erwiderte er.
»Oh ja.« Sie starrte auf den leeren Bildschirm. »Das sehe ich.«
Sam überlegte, ob sie ihr Funkgerät einschalten und den Eindringling melden sollte, aber das konnte er in der Stille der Nacht leicht hören. Vermutlich würde er sofort die Flucht ergreifen, und dann wusste sie wieder nicht, wer hier nachts herumschlich und warum.
Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass es sich nur um eine einzelne Person handelte, schlich sie vorsichtig auf den Lichtstrahl der Taschenlampe zu. Trotz des Mondlichts kam sie, ohne ihre eigene Lampe anzuknipsen, nur langsam voran. Der Boden war uneben, und riesige Farngruppen und umgestürzte Bäume versperrten ihr den Weg. Sie tastete sich vorwärts und versuchte, so wenig Lärm wie möglich zu machen.
Als sie nur noch etwa 50 Meter entfernt war, erlosch das Licht der Taschenlampe. Aus Angst, entdeckt worden zu sein, duckte sie sich hinter einen Baum. Kurz darauf hörte sie ein schnüffelndes Geräusch, und als sie um den Baum herum lugte, konnte sie undeutlich die dunkle Gestalt eines Manns ausmachen.
Er stand einfach da und rührte sich nicht. Sam erstarrte. Dann hob der Mann die Hand und warf etwas weg, und anhand der Bewegung schlussfolgerte
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