Summer Westin: Verhängnisvolle Spuren (German Edition)
an der Schulter. Die Frau war sicher keine Beute gewesen. Sie musste entweder einen Puma bei der Jagd oder beim Fressen überrascht haben. Vielleicht war sie auch zufällig auf eine Mutter mit Jungen gestoßen.
Eine bekannte Aufnahme wurde eingespielt. Sam erinnerte sich noch gut daran, wie der Mann von Betsy Lumas vor der Kamera versucht hatte, die Fassung zu bewahren. »Betsy liebte die Natur, deshalb joggte sie ja im Park. Dass ein Berglöwe sie getötet hat … etwas Schlimmeres kann ich mir gar nicht vorstellen … Wie schrecklich, im Augenblick des Todes einen Puma an der Kehle zu haben.«
Dann änderten sich Bild und Sprecher. »In Oregon hatten diese Radfahrer eine Begegnung mit einem Puma.« Zwei Jugendliche auf Mountainbikes schilderten, wie sie im Hinterland fast auf einen Puma gefahren wären.
Sam runzelte die Stirn. Die hatten sich wohl kaum in tödlicher Gefahr befunden. Es ging weiter mit Zwischenfällen in Colorado. Offenbar gab es dazu keine relevanten Bilder. Zum Ton wurde ein Foto von einem Puma auf einem Felsvorsprung gezeigt.
Dann erschien zu Sams Überraschung die Website des SWF mit ihrem Artikel über »Prächtige Pumas« und dem Foto von Leto und Artemis auf der Felsenbrücke auf dem Bildschirm.
»Dieses Bild haben wir heute auf der Website des Save the Wilderness Fund gefunden, einer gemeinnützigen Naturschutzorganisation. Der Bericht führt aus, wie stark sich die Pumas in unserem Staat vermehrt haben, und stellt sogar fest, dass ein männlicher Puma nahe dem Red Rock Campingplatz im Heritage National Monument Park herumgestrichen ist.«
Nun senkte Carolyn die Stimme, schlug die Hände zusammen und blickte ernst ins Fernsehpublikum. »Gestern Abend verschwand der zweijährige Zachary Fischer von ebendiesem Campingplatz.«
Die Kamera fuhr ganz nahe an das pausbäckige Gesicht auf dem Vermissten-Zettel heran, schwenkte dann auf die in Tränen aufgelösten Fischers, die Seite an Seite im Fernsehstudio saßen.
»Gerade eben war er noch da und im nächsten Moment schon verschwunden«, schluchzte Jenny. »Überall hingen Puma-Warnungen, aber wir haben nicht darauf geachtet.« Die Kamera zeigte jetzt ein Schild: Das vertraute – VERHALTENSREGELN BEI DER BEGEGNUNG MIT EINEM PUMA – erschien in Großaufnahme, während man im Hintergrund Jennys tränenerstickte Stimme hörte. »Wir hatten ja keine Ahnung, dass unser Kleiner in so großer Gefahr war.«
Als Nächstes tauchte ein bekanntes, markantes Gesicht auf, und Carolyn sagte: »Der Besitzer von Eagle Tours, Buck Ferguson, hat sich auf Ökotourismus und Jagdausflüge spezialisiert.« Es war schon erstaunlich, dass die Moderatorin die beiden Begriffe ohne jede Ironie zusammen erwähnte.
An der Wand hinter Fergusons Ledersessel hing ein Hirschkopf mit eindrucksvollem Geweih. Und was stand dort auf dem Bücherregal? Ein ausgestopfter Rotluchs? Vielleicht hatte die Redaktion geglaubt, Fergusons flammende Worte über »Liberale im Wolkenkuckucksheim« seien zu provokant, um gesendet zu werden. Diese Aufnahme stammte wohl aus Fergusons eigener Höhle.
»Man kann den Leuten so etwas nicht mehr zumuten. Im Park leben viel zu viele Pumas.« Auf Fergusons Gesicht erschien ein selbstgefälliger Ausdruck. »Das Ökosystem kann nicht alle ernähren. Es war nur eine Frage der Zeit, wann so etwas geschieht.«
Ein schneller Schnitt führte zurück zur sorgfältig geschminkten Moderatorin, die nun vor einem überlebensgroßen Foto von Zack saß. »Wie konnte das dem kleinen Zachary Fischer nur zustoßen? Sind auch andere Camper in Gefahr? Schalten Sie um halb elf unseren Extrabericht ein. Dann sind Martha McAdams, die Autorin von Der amerikanische Löwe, Superintendent John Quarrel von der US-Forstbehörde, und Buck Ferguson, der örtliche Experten für Wildtiere, zu Gast. Das war KUTV News 9, ihr Sender mit den neusten Nachrichten.«
Sam drückte den Ausschaltknopf, der Bildschirm wurde schwarz. Sie saß starr im Schneidersitz auf der Chenille-Bettdecke und blickte auf das Foto eines Maultierhirschs. Eine perfekte Aufnahme – der Fotograf hatte den Hirsch genau in dem Augenblick erwischt, als dieser den Kopf hob und mit großen Augen und aufgestellten Ohren in die Kamera blickte, auf dem Geweih lag ein wenig Schnee.
Das Klingeln ihres Handys riss sie aus ihrer Verblüffung. Schnell kramte sie es aus dem Rucksack. »Westin«, hauchte sie hinein.
»Sam!«
»Lauren, hast du schon von dem vermissten Kind gehört? Mein Gott, sie haben sogar die
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